Standbild: Politkalauer, Klamauk & Kabarett

■ "Hurra Deutschland", Freitag, um 23 Uhr, ARD

Als die satirische Puppenspielserie Hurra Deutschland im Frühsommer 1989 erstmals der Presse vorgestellt wurde, saß der Leiter des Programmbereichs Fernsehspiel und Unterhaltung beim WDR, Jörn Klamroth, verkniffelt vor dem Auditorium und dozierte freudlos zum Thema, was man dem deutschen Fernsehzuschauer an Satire zumuten könne und was nicht. Den Humor des britischen Vorbildes der Kölner Produktion, der mittlerweile schon legendären Serie Spitting Image, jedenfalls hielt Klamroth für nicht zumutbar. Die KollegInnen von der Insel nämlich schrecken vor rein gar nichts zurück; Schwächen, Gebrechen und Marotten prominenter Zeitgenossen werden mit hierzulande tatsächlich kaum vorstellbarer Impertinenz der Lächerlichkeit preisgegeben.

So etwas skrupulös Braves wie die erste Staffel von Hurra Deutschland aber wollte das hiesige Fernsehvolk denn doch nicht — es hagelte förmlich Kritik seitens der Presse und der Zuschauer. Also orderte man ein erhöhtes Maß an Frechheit, ließ mehr Biß verabreichen, und die Sendereihe machte sich — mit der Einschränkung „für deutsche Verhältnisse“, nämlich den stets drohenden Bannfluch der allerwärts lauernden beleidigten Leberwurst vergegenwärtigend — sehr ordentlich.

So konnte denn auch die Konkurrenz der Privaten ausgeschaltet werden, die angesichts der zahmen Kölner Produktion schon mit dem Bocksbein scharrten und 1,2 Millionen D-Mark investierten, um mit dem Puppenspiel Die Krauts auf Sendung zu gehen, ein Projekt, das mittlerweile abgeblasen wurde.

Mit der neuen Staffel von Hurra Deutschland knüpft die im Auftrag des WDR tätige Kölner Gum-Produktion an den erreichten Standard an. Neu aufgenommen ins Puppenkabinett wurden die Charakterköpfe Graf Lambsdorff, Jürgen W. Möllemann und der pfeifemümmelnde Björn Engholm. Außer ihnen kalauert die halbe Ministerriege, und auch einige Figuren aus dem öffentlich- rechtlichen Unterhaltungsverband wie Rudi Carrell, Harald Juhnke, Heino oder Ernst Dieter Lueg sind mit von der Partie — oder auch Party, denn einige der Sketche spielen im „Hurra-Club“, wo Kohl und seine Knappen beispielsweise über Waffenlieferungen verhandeln und die sinnlosen Beratungen abschließen mit dem Song Eene meene Sterbegeld — deutsche Waffen für die Welt. Nun sind singende Politker nicht sonderlich witzig, weil längst Realität — wir erinnern uns an den trällernden Waigel kürzlich bei Wetten, daß — weshalb man auf derartige Lückenfüller getrost verzichten könnte. Der Rest aber, ein bunter Wechsel von Politkalauern, sinnfreiem Klamauk und Kabarettexten, fügt sich zu einer doch halbwegs heiteren Viertelstunde. Und der neue Sendeplatz am Freitagabend offeriert besonderen Witz, wenn man Ernst Dieter Lueg zunächst als Bonner Chronisten erlebt und anschließend als finster orakelndes Original im Schatten von „Schloß Lambsdorff“, von wo aus die „Regierierigen“ Furcht und Schrecken verbreiten. Harald Keller