INTERVIEW: Erst sssss, dann plitsch
■ Turnierangeln (Casting) hat soviel mit planschenden Fischen zu tun wie Hammerwerfen mit echten Hämmern
Auch beim Turnierangeln erreicht die Materialfrage eine erfolgsentscheidende Bedeutung. Aerodynamik und Ballistik sind keine Fremdworte für die Caster mehr, wenn sie in filigraner Kleinarbeit ihre Angelruten für die Fliege-Skish-Konkurrenz stylen. Die taz erkannte die Zeichen der Angelzeit und sprach mit „Sssss-plitsch“, der marktbeherrschenden Casting-Fliege.
taz: Fräulein Sssss-plitsch, wie kommen Sie denn zu diesem Namen, igitt?
Ss.-pl.: Da müssen Sie nur mal hinhören, wenn die Action abgeht beim Fliege Skish. Erst düse ich — sssss — von der Rute weg, so zehn bis zwölf Meter weit, und dann knalle ich — plitsch — in das kleine Wasserbecken. Wenn ich Glück habe.
Warum Glück, Sie werden doch total naß?
Aber hören Sie mal, wenn Sie vom Zehn-Meter-Turm ins Wasser springen, wollen Sie doch auch im Becken eintauchen und nicht daneben.
Stimmt es denn, daß Sie nur eine Eintagsfliege sind?
Das ist ja nun absolut untertrieben. Ich werde zwei Wettkampftage alt. Manchmal sogar drei, wenn mein Angler behutsam mit mir umgeht. Und das passiert immer öfter, weil die Meister der Angelrute kapieren, wie lebensnotwendig die Fliege für den Flug der Angelsehne ist.
Da sind sie wohl auch ganz schön teuer?
Ich habe schon meinen Wert. Im Katalog koste ich eine Mark. Aber unter uns: Auf dem Turnierangel- Schwarzmarkt können Sie mich bei den Polen oder Bulgaren auch für 25 Pfennige bekommen. Bei bester Qualität, versteht sich.
Ich darf mir die Bemerkung erlauben, Fräulein Sssss-plitsch, Sie sehen ja auch äußerlich ganz passabel aus.
Keine Frage. Obwohl meine farblichen Variationen durch den Weltverband der Castingsportler arg beschnitten sind. Ich darf nur in weiß, gelb oder rot an den Start gehen.
Eine Frage kann ich Ihnen als Dame nicht ersparen: Gewichtsprobleme?
Ach, hören Sie auf. Ich darf ja mein Wettkampfgewicht von zwei Gramm nicht überschreiten. Aber seitdem für meine Herstellung sorgfältig ausgesuchte Hühnerfedern benutzt werden, geht es mir förmlich etwas besser.
Wie oft hatten Sie schon den Wunsch, von diesem staubigen Trockenangeln weg und in die Gewässer als Lockmittel für richtige Fischer zu kommen?
Haben Sie mich als handgemachte Edel-Fliege gerade gefragt, ob man mit mir Angeln soll?
Richtig.
Dann können Sie ja gleich Ayrton Senna fragen, ob Sie mit seinem McLaren ihren Sohn von der Kita abholen dürfen.
Ich wünsche Ihnen trotzdem noch einen guten Flugtag!
Danke, es könnte mein letzter sein. Seufz. Interview: bossi
(mit Angelschein)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen