Die Mühen der Übergangszeit

Die Abschaffung der rassisch getrennten Stadtverwaltungen ist eine Bewährungsprobe für Südafrika/ Lokale Potentaten nutzen die Gewalt in den Townships, um Machtverluste zu verzögern  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Prince Mokoena ist untergetaucht. Seit Wochen läßt sich der Bürgermeister von Alexandra, dem rebellischen schwarzen Wohngebiet nördlich von Johannesburg, in seinem Heimatort nicht mehr sehen. Einwohner, die seinen Rücktritt fordern, haben das Bürgermeisterbüro besetzt. Mokoenas Haus ist mehrfach angegriffen worden. Doch er weigert sich, dem Druck zu weichen. „Ich werde nicht zurücktreten“, sagte er Ende März in einem Interview. „Nur als Leiche wird man mich aus dem Amt heben können.“

Sein Trotz wird nicht viel helfen. Das Ende der schwarzen Stadtverwaltung von Alexandra ist binnen weniger Monate zu erwarten. Seit Jahren fordern der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) und sympathisierende Bürgerinitiativen die Abschaffung der nach Rassen getrennten Kommunalverwaltungen. Und seit Mitte der 80er Jahre boykottieren Millionen von Schwarzen Wasser-, Strom- und Kommunalsteuerzahlungen. Dutzende von schwarzen Stadtverwaltungen sind bankrott. Nur durch millionenschwere Zuwendungen von Zentral- und Provinzregierung konnten sie sich durchschlagen. Dennoch sind über 40 Prozent aller schwarzen Stadträte inzwischen zurückgetreten.

Hier und da haben weiße Stadtverwaltungen den zugeordneten Townships einfach Wasser und Strom abgedreht. Gleichzeitig jedoch laufen in vielen Orten Verhandlungen über die Beendigung der Boykotte. Gegenwärtig steht allerdings mehr auf dem Spiel als nur die Wiederaufnahme der Gebührenzahlungen. „Jetzt geht es darum, wer in der Übergangszeit zu nichtrassistischen Kommunalverwaltungen die Kontrolle hat“, meint ein Experte, der verschiedene Bürgerinitiativen in Verhandlungen mit den Behörden berät.

Die Regierung will noch in diesem Jahr die gesetzliche Grundlage legen für „freiwillige Diskussionen zwischen verschiedenen Gemeinschaften, um gemeinsame Strukturen zu etablieren“, kündigte Präsident de Klerk Anfang Februar an. Tatsächlich finden solche Diskussionen schon seit Monaten statt. Selbst gemeinsame Strukturen zwischen weißen und schwarzen Stadtverwaltungen gibt es schon. Und auch wenn de Klerk noch immer an Einigungen zwischen eigenständigen Ortsverwaltungen denkt — mehrere schon abgeschlossene Abkommen haben die beteiligte schwarze Stadtverwaltung praktisch abgeschafft.

Der weiße Ort Kimberley in der nördlichen Kap-Provinz beispielsweise hat die Verwaltung des angrenzenden Townships Khaleshiwe übernommen. Die schwarzen Stadträte sind schon zurückgetreten; da der Stadtrat selbst juristisch noch nicht aufgelöst werden kann, muß ein bevollmächtigter Verwalter die Beschlüsse der weißen Behörde noch abhaken. Allerdings hat die Bürgerinitiative in Kaleshiwe auch eine Niederlage einstecken müssen: Teil des Deals war ein Stillhalteabkommen, das zukünftige Boykotte verbietet.

Soweto und die weißen Stadtbehörden des Großraums Johannesburg wollen am 9. April zusammen mit der Bürgerinitiative von Soweto eine gemeinsame Verwaltungskammer bilden. In dem Gremium soll über Entwicklungspläne verhandelt werden, ohne daß die einzelnen Verwaltungen verschwinden. In Zukunft könnten so auch Gelder aus weißen Behörden in schwarze Stadtgebiete geschleust werden. Denn die schwarzen Townships haben keine eigene Industrie und kaum Geschäfte, so daß ihr Steueraufkommen ungleich geringer ist, obwohl sie für die große Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung zuständig sind.

Auch in Alexandra gibt es seit Mitte März ein erstes Abkommen, das den Boykott beendet und ein Ende der schwarzen Verwaltung in Aussicht stellt. Die reiche Behörde des angrenzenden weißen Ortes Sandton bereitet sich auf die Verschmelzung mit Alexandra vor. Aber Mokoena will dabei mitreden. „Es muß Verhandlungen geben“, sagt Mokoena. „Einfache Aufrufe zum Rücktritt der Stadtverwalter sind reine Einschüchterung und sollten nicht zugelassen werden.“

Diese Meinung teilt auch Hernus Kriel, der für Kommunalfragen zuständige Regierungsminister. Er glaubt, daß der ANC und die südafrikanische KP Konflikte auf der Lokalebene schüren. „Die KP nutzt immer noch Frontorganisationen, um Konflikte zu erzeugen und das Land unregierbar zu machen“, sagte Kriel vor kurzem in einem Interview. „Die schon bestehenden Strukturen können nicht zerstört werden, bevor nicht Einigkeit über neue Strukturen besteht. Sonst gibt es Chaos.“ Chaos gibt es allerdings vielerorts schon jetzt. Der ANC macht dafür die Zulu-Partei Inkatha verantwortlich. Denn Mokoena und mehr als 90 Prozent der noch amtierenden Stadträte in der Provinz Transvaal haben in der Inkatha einen kräftigen Verbündeten gefunden. Anfang Februar schlossen sie sich en masse der Zulu-Partei an. Der ANC meint, daß dies direkt zu den schweren Kämpfen zwischen Inkatha- und ANC-Sympathisanten geführt hat, die seit März mehr als 60 Tote in Alexandra gefordert haben. „Die Gewalt verzögert die politischen Entwicklungen“, meint ANC- Sprecher Madonsela in Alexandra. „Mokoena versucht, duch Anheizen der Gewalt die Abschaffung seiner Verwaltung zu verzögern.“

Und ANC-Sprecher befürchten, daß das Beispiel Alexandra Schule machen wird. „Inkatha hat jetzt Angriffe auf die Stadträte zu Angriffen auf Inkatha gemacht“, meint ein führendes ANC-Mitglied. „Das ist sehr gefährlich. Es hat das Gewaltpotential stark in die Höhe getrieben.“