Streit um Einsicht in Stasi-Akten

Berlin (taz) — Der Streit um ein mögliches Einsichtsrecht des Verfassungsschutzes in die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR geht weiter: Der Präsident des Kölner Bundesamtes für Verfassungschutz, Eckhart Werthebach, forderte gestern den Zugriff auf die Akten, da aus ihnen möglicherweise Hinweise auf die aktive Kommandoebene der RAF hervorgingen. Aus den „Operativ-Vorgängen“ der Stasi erhofft er sich insbesondere Aufschluß darüber, mit welcher „Beobachtungsintensität“ die Stasi die RAF überwacht hat.

Nach dem Willen der Sonderbehörde des Bundesbeautragten, die die Hinterlassenschaften des Spitzelministeriums verwaltet und auswertet, sollen die widerrechtlich erlangten Informationen den Geheimdiensten aber auch weiterhin strikt verwehrt werden. Hans-Jörg Geiger, Direktor der Sonderbehörde, erklärte gestern bei einem zweitägigen Treffen mit Mitarbeitern der Bürgerkomitees im Berliner Reichstagsgebäude, das Verwertungsverbot müsse auch für die Stasi-Unterlagen gelten. Gegenstand des Treffens, an dem auch Bundestagsabgeordnete von CDU, FDP, SPD und Bündnis 90/Grüne teilnahmen, war der Versuch, eine Basis für das Stasi-Aktengesetz zu finden, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. Heftig kritisiert wurde von den Bürgerkomitees der Bonner Gesetzesentwurf, wonach die Dokumente der SED und alten Blockparteien in das Koblenzer Bundesarchiv übernommen werden sollen. Die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Grüne, Ingrid Köppe, befürchtete, daß mit diesem Entwurf wichtige SED-Akten auf viele Jahre „in der Versenkung verschwinden“.

Übereinstimmend forderten die Teilnehmer ein Akteneinsichtsrecht für die von der Stasi betroffenen Bürger. Dissens gab es darüber, ob die Behörde des Sonderbeauftragten wie bisher zentral, oder künftig dezentral organisiert werden soll. Die Bürgerkomitees fordern in einem von ihnen vorgelegten Entwurf, neben der zentralen Bundesbehörde auch Landesbehörden einzurichten. wg