Konzentrationslager ja — Honecker nein?

■ Über die Schwierigkeiten, deutsche Geschichte zu feiern

Sachsenhausen ist ein Stadtteil von Oranienburg. Hier und in Dachau errichteten die Nationalsozialisten schon kurz nach ihrer Machtübernahme die ersten Konzentrationslager. Bis Kriegsende starben hier Hunderttausende von Menschen aus ganz Europa. Kann man dies einfach aussparen, wenn man 775 Jahre Oranienburger Geschichte mit 80 Festwagen darstellen will? Ein unsichtbares Loch lassen in der Parade, irgendwo zwischen Machtübernahme und Wiederaufbau? Die Festorganisatoren vom Rat der Stadt entschieden sich für ein klares Nein. Nichts solle nun, da man in der Bundesrepublik angekommen ist, mehr verschwiegen, verändert, verbogen werden.

Also das KZ aus Pappmaché und Sperrholz auf einem LKW-Anhänger nachbauen und mitrollen lassen zwischen Spielmannszügen und Fahnenschwingern? Gar »historische Kostüme« schneidern lassen, wie in den anderen Geschichtsabteilungen? — In Oranienburg will man es bei stummen, im Festzug mitgeführten Fotovergrößerungen belassen, unter anderem vom Tor von Sachsenhausen: »Arbeit macht frei.«

Noch nicht zu Ende diskutiert ist der Fall Honecker. Läßt man den Mann einfach weg, verändert man Geschichte. Führt man ihn mit, wird der Umzug vom Publikum ausgebuht, die Festlaune wird getrübt, peinliche Erinnerungen an frühere Umzüge kämen auf. Was tun?

Und schließlich das Gute an der ehemaligen DDR: Die Losung »Schwerter zu Pflugscharen« etwa, der Wiederaufbau des zerbombten Oranienburgs aus Ruinen, Schul- und Landreformen? Wenn das Gute bloß nicht zu gut ausfällt... Aber andererseits: Wenn man nun alles in Bausch und Bogen verdammte, wie soll da stolzes Heimatgefühl geweckt werden, wie soll Jubelstimmung — auch für die Besucher von auswärts — aufkommen?

Und dann die Sprache. »Faschismus und Krieg« werden auf einem Festwagenmodell verurteilt. Darf man das überhaupt noch? Muß es bundesrepublikanisch nicht »Nationalsozialismus und Krieg« heißen? Und überhaupt: Was ist mit Befreiung-Kapitulation-Zusammenbruch- Sieg der Roten Armee/der Alliierten? Und wie viele rote Fahnen, wie viel Arbeiterbewegung, schreibt nun das Grundgesetz vor. Oder läßt man so etwas jetzt lieber ganz weg? Wo doch schon ein Brecht suspekt ist...

Wie sie es auch machen, die Organisatoren könnten leicht Prügel beziehen. tom-