Kein Theater ohne Bonn

■ Erste unabhängige Gesamtstudie zur Berliner Theaterlandschaft liegt vor/ Bund soll sich an Finanzierung beteiligen/ Sonst Schließung der Hälfte aller Häuser

Rathaus. Endgültiges Aus für das Theater der Freien Volksbühne, neue Intendanzen für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz und für das Berliner Ensemble, Erhaltung aller drei Opernhäuser, der Staatsbühnen, des Deutschen Theaters, des Maxim-Gorki-Theaters, des Theaters der Freundschaft und sogar Rückgängigmachung der Abwicklung des Staatlichen Puppentheaters: dies sind die wichtigsten Einzelergebnisse der Gesamtstudie zur Berliner Theaterlandschaft, die Kultursenator Ulrich Roloff-Momin gestern vorstellte und die die Grundlage für alle weiteren Erörterungen zur Zukunft der Berliner Bühnen darstellen soll.

Vor allem soll auf dieser Basis Druck auf die Bonner Regierung ausgeübt werden. Unabdingbare Voraussetzung für alle Vorschläge sei es, daß sich der Bund dauerhaft zur Hälfte an der Erhaltung der Theater beteiligt. Gedacht ist entweder an einen kulturellen Hauptstadtvertrag, wie er zur Zeit mit Bonn existiert, oder an eine »Stiftung Nationaltheater in Berlin«, angelehnt an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die eine geteilte Trägerschaft zwischen Bund und Land bringen würde. Die Alternative zu beiden Modellen sei die Schließung der Hälfte der Berliner Theater: »Dazu braucht es keine Gutachter, sondern eine Abbruchfirma.«

Vor nur sechs Wochen hatte der Kultursenator die »Überlegungen zur Situation der Berliner Theater« bei Ivan Nagel (ehemaliger Intendant in Hamburg und Stuttgart und derzeitiger HdK-Dozent), beim Ostberliner Publizisten Friedrich Dieckmann sowie bei den Westberlinern Michael Merschmeier (Herausgeber von »Theater heute«) und Henning Rischbieter (Professor der Theaterwissenschaften an der FU) bestellt. Erstmals wird damit eine Gesamtschau auf die vielfältigen Einzelprobleme der Berliner Bühnen nach der Vereinigung vorgelegt.

In der Studie geht es nicht um Notlösungen, sondern um die »Profilierung jeder einzelnen Institution« und um die »Steigerung der kulturellen Vielfalt«. So sind für die Deutsche Oper, Staatsoper und Komische Oper inhaltlich und personell streng voneinander geschiedene Konzepte vorgesehen: Aufgabe der Staatsoper Unter den Linden als Spitzenhaus mit internationalem Anspruch sei ein klassisches und modernes Repertoire mit »hervorragenden Sängern, aber auch mit besten Regisseuren«. Die Deutsche Oper müsse sich mehr um das allgemeine Repertoire kümmern und die Komische Oper um die leichteren Stücke. Was die Staatlichen Schauspielbühnen betrifft, so sollen sie das Hebbel-Theater dazubekommen anstatt des zu privatisierenden Schloßpark-Theaters, das den Gutachtern in Steglitz zu dezentral liegt (»zwanzig Autominuten«). Die Aufgaben des Hebbel-Theaters als Ort für internationale Gastspiele soll das Theater der Freien Volksbühne als »Theater der Nationen« übernehmen. Im Prinzip erhalten bleiben soll die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.

Das zur Zeit intendantenlose Haus soll ein »junges Theater mit ästhetischer Innovationslust und politischem Mut wie einst die Schaubühne« werden, was man sich von einer neuen Intendanz erhofft. Eine neue Intendanz soll auch das Berliner Ensemble retten. Hier soll die Tradition Brechts fortgesetzt, aber die »Führung des Theaters als Familienbetrieb« beendet werden. grr