Allmighty Alwin spaced megamäßig ab

6.000 Kids trafen sich zur Skateboardmesse in Bochum/ Ihr Motto: Das Brett ist die Botschaft  ■ An der Halfpipe Thomas Meiser

„Wollen wir uns eine Coke teilen, Jacky?“, fiept Allmighty Alwin so laut er kann zu seinem alten Kindergartenkumpel Hänschen Cool. Jacky sagt erst einmal nichts. Nachdenklich zupft er sich seine Schirmmütze schräg. Der Schirm ist gerade so lang, daß er beim Mittagessen in der Gesamtschule das Kotelette des Gegenübers am Tisch zerteilen würde. „Nä“, schreit jetzt der coole Jack, „mein Dad sitzt oben auf der Tribüne. Den graben wir für'n Heiermann an. Macht each a Coke, jeah.“ Und beide grinsen breit wie einst der Smiley.

Um sie herum tobt das Chaos in der Mehrzweckhalle. Schwärzester Hip-Hop in Discolautstärke bratzt aus den Boxen. Alternierend scheppern Dangerous Dubs. Reden sollen doch die Talking Heads, auf diesem Indoor Spot ist die Sprache kein Medium. Wozu auch? Das Brett ist die Botschaft. Wer drauf stehenbleibt, kann mitreden. Und kommuniziert wird an den Ramps und in der Pipe am Hallenrand. Mehr als 6.000 Kids skaten bereits. Hier enttarnt einen die Volljährigkeit als staunendes Elternteil. Oder als die lustigen Leute vom Jugendamt.

Das Cruisen auf dem Brett aber bringt den Kids das We-are-the- world-feeling. Megamäßiges Abspacen, ein jeder nach seinen Fähigkeiten: Zwei Kiddys swingen in der Halfpipe hin und her, fahren synchron dieselben Tricks, pendeln so minutenlang. Als von ihnen einer stürzt, räumen beide das Feld [warum nicht playground, we are all american, yeah, d. s-in]. Sofort fährt ein anderer das Halbrund hinunter und zeigt sein Repertoire, fachmännisch begutachtet von den anderen Hardcore-Skatern, die an den oberen Rändern der elliptischen Rampe auf einer Bühne versammelt zur Abfahrt bereit stehen.

Jeder nach seinen Leistungen: Vor einer anderen Rampe, nicht ganz so hoch und nicht halbrund, stehen sie in der Schlange. Einer nach dem anderen nimmt einige Meter Anlauf über den Hallenboden, fährt die Rampe hoch, drückt das Vorderteil des Boards über die Kante, dreht sich damit um 180 Grad und rast zurück. Ein Standard Liptrick, obschon längst nicht jeder ihn beherrscht. Manch einer stürzt. Who cares? Skatemedic! Skatemedic empfiehlt bei Blutergüssen „anhaltende Kälteanwendungen über mehrere Stunden und einen kräftigen Druckverband“. Forever young und ab dafür.

Oder ab ins Aufbautrainung per Nonstopvideo. Da sitzen sie alle dreikäsehoch und starren verzaubert auf die Großbildglotze. Zu sehen gibt es die genialen Tricks der Professionals.

Der weltbekannte Pro gibt eine Streetstyle-Kür zum Besten. Er läßt das Brett trotz Slalomkurs auf dem Asphalt um seine Quer- und Längsachse wirbeln. Rasant schreddert der King des Kiez über eine kniehohe Mauer, spingt mit einer ganzen Schraube über ein Geländer, und das Brett rollt drunter durch. Lässig eignet er sich nach und nach die Straße an, treibt seine Spielchen mit Pollern und Pöhlen.

Zum Finale bespringt er gar mit dem Brett einen Müllcontainer und rollt eine abschüssige Straße hinab, die Hände würdevoll auf dem Rücken verschränkt.

Kinderkinne klappen kurz, ehrfürchtiges Geraune hebt an: „Wow, haste das gesehen, ein Ollie to Nose- Wheelie“. Behäbig erhebt sich nach dieser Performance Hänschen Cools greiser Vater vom Sitz, schwer stützt er sich auf die Krücke. „Jedes Steckenpferd fordert halt seinen Preis“, murmelt er verlegen. Undeutlich vernimmt man noch: „Auf meiner Schirmmütze steht 'Carlsberg‘. Nicht immer. Aber immer öfter.“