'Bild‘-Zeitung für Spanien

'Claro‘ heißt das neue Blatt von Axel Springer  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Seit gestern ist die neue Tageszeitung auf dem Markt: oben links in schreiendem Rot der Titel, Überschriften in balkendicken Lettern, zwei Spalten Riesendécolleté einer bekannten Sängerin — das kommt uns doch bekannt vor? Die spanische Ausgabe der 'Bild‘-Zeitung heißt 'Claro‘ und wird vom Axel- Springer-Verlag sowie dem Verlag der rechten Tageszeitung ABC herausgegeben. „Gegenwärtig lesen etwa 60 Prozent aller Spanier keine oder nur selten Tageszeitung. Diese Zielgruppe soll durch 'Claro‘ neuen Spaß am Zeitunglesen bekommen“, heißt es in einem Promotionsblättchen der Zeitung. Doch gibt es keine spanische Tageszeitung, die etwa mit nackten Damen gegen die herrschende Prüderie verstoßen würde. Dementsprechend lockt die Zeitung zwar mit Versprechungen, traut sich jedoch nicht ans Eingemachte. Daß die Kitschsängerin Isabel Pantoja, die vor Jahren ihren Ehemann, den Torero Paquirri, bei einem Stierkampf verlor und seither als „Witwe Spaniens“ gilt, in ihrem nächsten Film nackt auftreten wird, ist den Blattmachern nicht nur den dicksten Balken auf der Titelseite wert, sondern noch eine zusätzliche halbe Seite 9. Über ihren zukünftigen Filmpartner heißt es da: „Arturo geht's hervorragend. Er stellt sich Isabel schon aufreizend, zärtlich und provozierend in seinen Armen vor...“. Auf dieser Ebene verklemmter Sexualanreize bewegen sich die ersten 12 Seiten. Von Seite 13 bis 24 gibt es Sport.

Ein Leserpotential gibt es in Spanien für ein Sensationsblatt sicherlich. Doch die Abhängigkeit der Spanier von der Glotze macht es schwierig für das neue Produkt. Mit 50 Peseten (circa 85 Pfennig), ein Drittel weniger als die anderen Tageszeitungen, und um die potentielle Leserschaft zu erreichen, hat der Verlag zu einem Mittel gegriffen, das Altlinke noch aus ihrer militanten Zeit kennen mögen: Frühmorgens vor den Fabriktoren wollen Zeitungsverkäufer ihre Ware an Mann und Frau bringen.