piwik no script img

Bremen könnte Kurden dulden

■ Verwaltungsgericht wertete Folterung als „angebliches Verfolgungsschicksal“

Trotz des neuen Ausländergesetzes könnte das Land Bremen weitere Abschiebungen von Kurden verhindern. Diese Meinung vertrat gestern Rechtsanwalt Armin von Döllen, der viele Kurden anwaltlich vertritt.

Denn zum einen habe der Senat die rechtliche Möglichkeit, wegen der Bürgerkriegssituation und anhaltender Flüchtlingsströme die Abschiebung von Asylbewerbern für sechs Monate auszusetzen. Genau diese Forderung stellen inzwischen die Grünen in einem Bürgerschaftsantrag, der nächsten Mittwoch verhandelt wird. Zum anderen müsse, solange das Bundesinnenministerium nicht den Beschluß gefaßt habe, Kurden generell abzuschieben, bei jedem Fall eine sorgfältige Einzelprüfung stattfinden.

Entscheidend seien die im neuen Ausländergesetz festgelegten Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs.6, erklärte von Döllen auf einer Pressekonferenz der Grünen. Die lauten folgendermaßen: Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat kann abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben oder Freiheit besteht. „Und genau zu dieser Überprüfung ist das Land Bremen verpflichtet“, betont von Döllen.

Ramazan Kaya, einer seiner Mandanten aus dem kleinen Dorf Sarican (200 Kilometer von Diyarbakir), berichtete von seiner politischen Verfolgung. 1989 wurde er in einer Nacht- und Nebelaktion festgenommen — er hatte sich an verschiedenen politischen Aktionen gegen die Regierung beteiligt und auf dem Neujahrsfest in seinem Dorf Lieder auf kurdisch gesungen. „Zwei Wochen lang hat man mich im Gefängnis gefoltert“, erzählt er. „Man hat mir die Hände und Füße zusammengebunden und mich stundenlang mit Gummiknüppeln und Gewehrkolben geprüpgelt.“ Nur durch ein hohes Lösegeld hätte ihn seine Familie rausgeholt. Danach hat Kaya aus Angst vor weiteren Verfolgungen das Land verlassen und war in die BRD geflohen.

Das Verwaltungsgericht schickte ihm folgendes Schreiben: „Das angebliche Verfolgungsschicksal ist in seiner Pauschalität nicht überzeugend. Es ist durch nichts zu belegen und mag in seiner Unüberprüfbarkeit so auf eine Vielzahl türkischer Asylbewerber kurdischen Volkstums zutreffen.“

„Wenn man mich jetzt abschiebt, lande ich wieder im Gefängnis“, weiß Ramazan Kaya. „Ich habe sogar einen Brief von unserem Dorfvorsteher, in dem ich gewarnt wurde, nicht zu kommen, weil man mich sucht.“ Bei seinen Eltern und seiner Frau sei bereits mehrmals die Wohnung durchsucht worden.

Die Unterlagen und Zeugenaussagen haben jedoch für die Bremer Ausländerbehörde keinerlei Bedeutung. „Daß es solche Fälle sehr oft gibt, ist doch eigentlich ein Beweis dafür, wie es um die Menschenrechte in der Türkei steht. In Bremen wird das aber als Argument für die Ablehnung benutzt“, sagt Armin von Döllen. Offensichtlich sei es das generelle Herangehen der Behörde, lieber nichts zu tun, als Einzelfälle genau nachzuprüfen. „Für die Kurden wäre schon viel gewonnen, wenn man bei der sogenannten Beachtlichkeitsprüfung, wo entschieden wird, ob jemand überhaupt ein Recht auf Asyl hat, wohlwollender vorgegangen würde“, findet Armin von Döllen. So, wie die Dinge zur Zeit stünden, bleibe für die Betroffenen nur die Wahl, auf die Zwangsvollstreckung zu warten oder unterzutauchen und sich ohne rechtliche Absicherung und ohne Sozialhilfe durchzuschlagen. Birgit Ziegenhagen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen