Alpenstasi-betr.: "In den Klauen der Neonazis" ("Tatort" aus der Schwyz), taz vom 3.4.91

betr.: „In den Klauen der Neonazis“ („Tatort“ aus der Schwyz), taz vom 3.4.91

Auch ich habe mich wie Herr Kriener zünftig ob des helvetischen Tatort- Machwerks enerviert, wenn auch aus entgegengesetzten Gründen. Daß dieser Film „sensationell schlecht“ war, war nämlich noch das beste an ihm. Herrn Krieners Intuition, der Streifen sei „gut gemeint“ gewesen, was alles „noch viel schlimmer mache“, ist aller Wahrscheinlichkeit nach in mindestens doppelter Hinsicht falsch.

Zur Plausibilisierung dieser meiner Meinung schiebe ich an dieser Stelle einige Details aus dem politischen Alltag unserer idyllischen Bergwelt nach: wie der/die Stasi-geprüfte TV-KritikerIn in Deutschland vielleicht nicht weiß, gibt es auch in der Schweiz eine Politische Polizei. Infolge einiger parlamentarischer Untersuchungsberichte, welche nach dem skandalumwitterten Rücktritt der ehemaligen Polizei- und Justizministerin Frau Kopp in den Jahren 1989 ff. erschienen sind, weiß die schweizerische Öffentlichkeit hingegen einiges über unsere hiesige Alpenstasi. Insbesondere weiß sie, daß allein auf Bundesebene über ca. 800.000 Personen Karteikarten und Dossiers angelegt wurden, daß zusätzlich 27 kantonale und städtische Politpolizeien die Bevölkerung überwachten und daß auch der militärische Nachrichtendienst „im Inneren“ sein Spitzelunwesen trieb. All diese Schnüffelpolizeien waren/sind jetzt gezwungen, den Bespitzelten zumindest teilweise Einsicht in die sie betreffenden Akten zu gewähren. Allein auf Bundesebene beantragten über 300.000 Personen Akteneinsicht. Inzwischen werden Unterschriften für eine Volksinitiative gesammelt, welche die Abschaffung sämtlicher Politpolizeien in der Schweiz fordert. Und vor einer Woche beschloß der Gemeinderat der Stadt Zürich die Abschaffung der größten helvetischen Schnüffelfiliale (der zürcherischen nämlich).

Was hat all das mit dem „Tatort (aus der Schwyz)“ zu tun? Was hätte es Herrn Kriener genützt, wenn er gewußt hätte, daß insbesondere das Einschleusen von Polizeispitzeln in (linke) Gruppierungen ein besonders übles Licht auf die Zürcher Politpolizei geworfen hat? Was wäre für Herrn Kriener mit der Information gewonnen gewesen, daß die helvetischen Schnüffler nun ihr Bedrohungsbild aktualisieren und sich unter anderem der bisher sträflich vernachlässigten Überwachung gefährlicher Rechtsextremisten widmen wollen?

Nun, vielleicht wäre einem derart informierteren Herrn Kriener aufgefallen, daß Inspektor Carlucci nur mal mitten in der Nacht zur Zentrale telefonieren mußte (zu welcher?), um rauszufinden, ob Hauswart Effinger ein Rechtsradikaler sei (Antwort positiv). Vielleicht wäre Herrn Kriener aufgefallen, daß Inspektor Carlucci mehrmals betonte, man müßte mehr über „die Struktur der rechtsradikalen Gruppen wissen“. Vielleicht hätte Herr Kriener bemerkt, daß Carlucci mehrfach betonte, man könne denen (den Rechtsextremen) ja eh nichts nachweisen, wenn sich nicht ein verdeckter Fahnder (Spitzel) bei denen reinschmuggelte.

Vielleicht hätte Herr Kriener dann auch den (zugegebenermaßen schwer beweisbaren) Schluß gezogen, daß mit diesem „Tatort“ die „kritische Öffentlichkeit“ einfach mit der Message „dein Freund und Schnüffler im Kampf gegen die bösen Faschos“ abgeholt werden sollte. Sein Urteil, daß dieser Film dümmer sei, „als die Polizei erlaubt“, hätte er dann zumindest unter diesem Gesichtspunkt relativiert. Sicherlich. Hans R.Hartmann,

Mitglied des Komitees „Schluß

mit dem Schnüffelstaat“,

Zürich/Schweiz