Was passiert hinter der Fußmatte?

■ Wohnen in den 90ern: Gewoba-Architekten-Wettbewerb zeigt neue Baumodelle mit viel Gemeinschaftssinn

Wenn demnächst nach den Ergebnissen des Gewoba-Architektur- Wettbewerbes „Wohnung, Wohnhaus, Wohnquartier“ gebaut werden sollte, geht es den BremerInnen an ihren eingezäunten Vorgarten und an die Gardinen: Der Trend im Bauen der 90er Jahre geht zu Gemeinschaftsflächen, Gemeinschaftsräumen, offenen Freiflächen und Glasfronten. Insgesamt 31 Entwürfe für die Bebauung von einem Hektar Land sind bei der Gewoba eingegangen, seit gestern kann man sie in der Architekten-Kammer bestaunen. Gewoba-Chef Eberhard Kulenkampff zog ein griffiges Fazit aus den Entwürfen: „Wohnen in den 90ern wird erst dort brisant, wo wir den Fußabtreter verlassen.“

Was Kulenkampff meinte, wird deutlich, wenn man den mit dem 1. Preis honorierten Entwurf der dänischen Architkten Jesper Rasmussen und Ole Klaaborg sieht: Die Häuser sind nicht in der klassischen Zeile angeordnet, sondern liegen punktförmig in Zweier- oder Vierergruppen im Karree, Freiflächen und Gemeinschaftshäuser in der Mitte, die Häuser durch Gänge miteinander verbunden.

Jedes Haus ist in sich flexibel aufteilbar, d.h.: die „klassischen“ Funktionszuweisungen wie Schlafzimmer, Wohnzimmer, Kinderzimmer sind ersatzlos gestrichen. Ziel dieser variablen Aufteilung sei das Wohnen in „verschiedenen Lebensformen und Haushaltsführungen, in sowohl verpflichtender als auch unverpflichtender Gemeinschaft“, erklären die Architekten ihren Entwurf, der in den dänischen Städten Kolding und Odense schon verwirklicht worden ist. Berücksichtigt sind auch „realistische“ ökologische Maßnahmen: Eine Grauwasseraufbereitung für Toilettenwasser, Solarenergie für einen Teil der Stromversorgung, Abfallrecycling, umweltschonende Baumaterialien und gute Isolierungen.

Ideen für eine Wohnwelt, die den Umgang miteinander intensiviert, gibt es in der Architektenkammer zuhauf: Häuser, die über das Dach miteinander verbunden sind, Wohnungen, die meanderförmig einander zugeordnet sind, Treppenhäuser mit Gemeinschaftsflächen und Halbtreppen, Galerien, gewagte Dachlandschaften, Glasumfassungen: Der Wohnbautrend setzt eindeutig auf die Gemeinschaft.

Aber die Realisierung solcher Projekte wird an der Finanzierung scheitern. „Es gibt niemanden, der in Freiflächen investiert, weil die keine Miete bringen“, erklärt Robert Lemmen vom Stadtplanungsamt. Nach den Architekten-Entwürfen könnten auf einem Hektar etwa 80 bis 100 Wohnungen entstehen, die 250 Menschen Platz böten. Nach Angaben von Lemmen entspricht das etwa der durchschnittlichen Bebauungsdichte.

Für Gewoba-Chef Kulenkampff gehört die Finanzierung zu den „Knochenarbeitsfragen“, die nun einmal zum Bauen dazugehören. Die Umsetzung der Entwürfe entspreche deshalb nicht der Reihenfolge der Platzierung. Angekauft hat die Gewoba drei Entwürfe. Ob sie in neue Projekte der Wohnungsgesellschaft, zum Beispiel bei der Bebauung des Hollerlandes, einfließen werden, steht nach Angaben von Gewoba- Sprecher Ulrich Höft noch nicht fest. Markus Daschner