Ja Clare Pose — Poesie Clara

■ Der Eröffnungsabend von »Orplid und Co.«, Gesellschaft zur Pflege und Förderung der Poesie e.V. im Haus Drama

Die DDR hat in Kunstdingen schon immer Sinn fürs Enigmatische gehabt: je abwegiger die Metapher, um so wahrscheinlicher der Ausweis von Kunst. Vielleicht hat dieser Zwang zur Chiffre mit dem Untergrund zu tun, in dem die Kunst teilweise gezwungen war zu entstehen, sicherlich war sie eine Abwehrgeste gegen die verordnete eineindeutige Realität.

Jetzt hat sich im Osten ein Verein zur Pflege und Förderung von Poesie mit dem geheimnisumwitterten Titel »Orplid und Co.« gegründet, der sich in seiner Namensgebung, wie zu erfahren, auf ein Mörike-Gedicht beruft. Der Gründer dieser illustren Gesellschaft, Adolf Endler, Schriftverfertiger seines Zeichens, weist sich damit aus, daß er schon seinerzeit in Leipzig, Steinstraße 80, »ein Schlangennest literarischen Widerstands« gezüchtet hat. Seine neue Züchtung »Orplid und Co.« versteht er als Forum für Jungautoren jeglicher Nationalität, nach dem Motto: »Gibt es in Spanien 20 gute Autoren und in der DDR keinen, dann stelle man doch die 20 spanischen vor.«

Die Einrichtung zur Pflege und Förderung von Poesie, die regelmäßig am zweiten Dienstag jeden Monats im Café Clara im Haus Drama in der Clara-Zetkin-Straße 90, der ehemaligen Zensurabteilung des Kulturministeriums, mit Lesungen aufwarten will, versteht sich durchaus als Pendant zu den vorhandenen Literaturvertretungsanstalten der Stadt wie Literaturhaus und Literarisches Kolloquium. Der Unterschied zu letzteren bestand beim Eröffnungsabend am Dienstag darin, daß man so dicht gedrängt nebeneinander saß, daß es schon wieder konspirativ wie anno dazumal im Schlangennest wirkte, außerdem, daß man trinken und rauchen durfte, manchmal wurde auch gelacht. Die Ostlerin durfte vermutlich zum ersten Mal Oskar Pastior life erleben. Der, wie der Westlerin bekannt, »mit ziviler Gliederverrenkung« als »aromatischer Flattergeist« sein mitteleuropäisches Neuhochdeutsch vortrug, was vom »Krisengestirn über der Mark Brandenburg« redete, seine »Stichflammensätze, Silbergewitter« und einiges von einer »Bremsschuhtheorie« hören ließ.

Die Westlerin dagegen kam in den Genuß, Karl Mickel zum ersten Mal life sächseln zu hören, weshalb sie dann auch gleich nur wenig verstand, aber immerhin mitbekam, daß ihn eine Petrarca-Landschaft mit Pastior verbindet, weswegen man die beiden wohl zusammen geladen hat. Mickel gab eine Petrarca-Übertragung zum besten, dazu weiteres von bekannten ausländischen Dichtern wie Shakespeare, Leonardo da Vinci und so. Mickel und Pastior zusammen gaben ein Bild ab, das dem nahekam, was Pastior in einem Text etwa so beschrieb: »Das Gegenteil von mir ist ein Rohbau ohne Teehaus ist ein bin ohne Teehaus von mir mit Bruno.« Michaela Ott