Der Überraschungskandidat

■ Der Schweizer Guido Huonder soll neuer Intendant in Potsdam werden

Der Dortmunder Schauspieldirektor Guido Huonder soll neuer Intendant des Potsdamer Theaters werden. Der seit 1985 im Ruhrgebiet arbeitende Regisseur wird voraussichtlich Mitte Juli die Nachfolge von Gero Hammer übernehmen, der das Amt seit 20 Jahren innehat.

Im Mai wird die Stadtverordnetenversammmlung von Potsdam über den Vorschlag des Auswahlgremiums befinden. Die vom Magistrat bestellte Kommission hatte sich am Sonnabend unter 32 Bewerbern überraschenderweise für den 49jährigen gebürtigen Schweizer entschieden. Die ihr angehörenden 15 Vertreter von Theater, Landesregierung und Stadtparlament haben fast einstimmig für Huonder votiert. Der Stadtrat gab Huonders große Erfahrung und starkes Interesse für Potsdam als Gründe für den Beschluß an. »Ihm geht es bei dieser Berufung nicht um einen Karriereschritt, sondern wirklich um das Theater«, sagte Kulturdezernent Wieland Eschenburg.

Der in Chur im Kanton Graubünden geborene Regisseur hatte seine Laufbahn in Zürich begonnen, wo er 1966 bis 1969 studiert hatte. Nach Engagements an mehreren Schweizer und deutschen Bühnen kam er vor sechs Jahren an die Städtischen Bühnen Dortmund, wo er mit Erfolg Stücke von Schiller und Shakespeare sowie Brecht und Hacks inszenierte. Eschenburg erwartet auch für das Potsdamer Theater eine Mischung aus Experimentellem und Bewährtem.

Der Intendantenwechsel war notwendig geworden, nachdem Gero Hammer im September in einer Grundsatzentscheidung vom Magistrat abberufen worden war. Gemeinsam mit den Leitern der größten Kultureinrichtungen der Landeshauptstadt, darunter die Schlösser und Gärten von Sanssouci, mußte er den Chefsessel räumen. Die Ablösung Hammers, der sich seinerzeit gegen den »Pauschal-Austausch« gewehrt hatte, ist umstritten. Hammer selbst hatte allerdings unlängst einen schnellen Beschluß über seinen Nachfolger gefordert. Der selbstbewußte Prinzipal gilt als integrer Theaterleiter. Vor der Wende drohte Hammer wegen »politischer Unzuverlässigkeit« mehrmals die Absetzung. Zuletzt hatte ihm der damalige SED-Bezirkschef öffentlich vorgeworfen, die Konterrevolution vorzubereiten. In der Zeit der Wende leitete Hammer, der Mitglied der nationalen Blockpartei NDPD war, den Runden Tisch des Bezirkes Potsdam und moderierte das erste Bürgerforum.

Hammer profilierte während seiner Amtszeit das in einem umgebauten Gasthof in der Zimmerstraße auftretende Ensemble zu einer experimentierfreudigen Truppe. Teile von Heiner Müllers Wolokolamsker Chaussee wurden dort uraufgeführt. Außerdem tat sich die Bühne mit Premieren inhaltlich brisanter sowjetischer Stücke hervor. Für die nächste Spielzeit hat Hammer ein Konzept vorbereitet, das im Schauspiel auf Gegenwartsstücke deutschsprachiger Autoren wie Frisch, Hacks, Fühmann und Hein setzt. Auch Oper und Operette sollen an dem Mehrspartentheater weitergeführt werden. So stehen Puccini, Tschaikowski und Johann Strauß auf dem Programm. Nachfolger Huonder wolle dieses Konzept vorerst übernehmen, sagte Eschenburg.

Guido Huonder hatte sich schon kurz nach der Wende für die Leitung des Leipziger Schauspielhauses beworben. Aus unerfindlichen Gründe war dort nie eine Entscheidung gefallen. Auch als Nachfolger von Hans Neuenfels an der Freien Volksbühne in West-Berlin war Huonder einst im Gespräch. Immerhin gilt Huonder allgemein als angenehm seriöser und um kontinuierliche Arbeit bemühter Theatermann, der ausgesprochen unkarrieristisch eingestellt ist. adn/grr