Standbild: Allein gegen die Glaubens-Mafia

■ "Ich liebe Deutschland", Di., 22.10 Uhr, ZDF

Die Begegnung der Kulturen ist ein Thema, bei dem Klischeevorstellungen, Gefühlsduselei und schulterklopfende Ausländerfreundlichkeit an sich kaum zu vermeiden sind. Umso überraschender ist es, daß es Konstantin Schmidt mit seinem halbdokumentarischen Fernsehspiel durch einen Kunstgriff gelingt, die Trennfuge zwischen türkischer und deutscher Kultur und Mentalität ebenso unprätentiös wie differenziert offenzulegen.

Im Zentrum seiner bewußt bescheiden gehaltenen, kleinen Ethnographie steht die Großbäckerei des Wahl-Deutschen Hasan. Der neu eingerichtete, hypermoderne Betrieb des Gastunternehmers floriert, weil der Patriarch mit orientalischer Strenge die Fäden marktwirtschaftlicher Betriebsführung in der Hand hält. Während seiner protzigen Champagnerausflüge mit Benz und deutscher Zweitfrau übersieht Hasan gerne, daß das Geschäft nur deswegen läuft, weil die selbstbewußte, studierte Türkin Ayșe den Laden schmeißt. Gerne vergißt Hasan, daß es die sozio-kulturellen Wurzeln der türkischen Mentalität sind, die er für den mit westlichem Know-how erkauften geschäftlichen Erfolg ausbeutet. Etwa wenn er während einer Krise seine türkischen Arbeiter mit dem Argument der Glaubensgemeinschaft umsonst arbeiten läßt, während die deutschen Teigkneter weiterhin ihren Lohn kassieren.

Die interessante Perspektive auf das Spannungsfeld der Kulturen resultiert nun daraus, daß wir entgegen der handelsüblichen Schwarz-weiß- Malerei Sympathien für die türkische Glaubens-Mafia entwickeln, die Hasans verhurtem Ethno-Imperialismus einen Riegel vorschiebt. Schmerzhaft ist die Einsicht, daß Hasan ohne die intakte Solidargemeinschaft seiner Landsleute und Abnehmer nicht einmal mehr kleine Brötchen backen könnte. Die menschliche Begegnung zwischen Deutschen und Türken reduziert sich auf den Auftritt der Polizei als steriler Ordnungsmacht und das materielle Interesse von Hasans deutscher Freundin, von der wir nichts erfahren, als daß sie endlich in Urlaub fahren will.

Obwohl viel geredet wird, entsteht nie der Eindruck dialoglastigen Dozierens. Konstantin Schmidts Bilder erheben keinen Anspruch auf einen Kunstcharakter. Dafür ist immer klar, was gemeint ist, ohne Zeigefinger. Dem einsichtigen Konzept dieses in progressiver Weise konservativen Kulturbildes ist es zu verdanken, daß die Schauspieler wissen, was sie zu tun haben. Insgesamt kein glanzvoller, dafür aber ein interessanter Film. Manfred Riepe