PRESS-SCHLAG
: Das hoffnungslose Prinzip der Hoffnung im Osten

■ Studenten der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig bemühen sich um Optimismus

Warte, warte nur ein Weilchen“, rufen die Bonner Sportpromis ihren körperkulturell orientierten Brüdern und Schwestern im Beitrittsgebiet zu. Wie überall würde auch der Sport in der Ex-DDR nach Durchwanderung des Tals zu neuen Gipfeln aufbrechen. Aber vorher wird er bestraft für seinen ehemals gönnerhaften Sponsor, den sozialistischen Staat.

„Für den Sport im Osten Deutschlands bleibt nur noch das Prinzip der Hoffnung“, erkannte sogar der Deutsche Sportbund. „Der Sport wartet auf Überlebensgarantien“, heißt es in seinem Pressedienst, „aber der Optimismus ist gebrochen.“ Nach Meinung des Präsidenten des Landessportbundes Sachsen und Ruder-Olympiasiegers Andreas Decker ist der Sport bereits zu 50 Prozent kaputt: „Wenn kein Geld von Land oder Bund kommt, gehen spätestens im Sommer die Lichter aus.“

Aber wozu haben wir denn die Politiker, wenn nicht zur Vernichtung unserer Sorgen und zum Aufbau neuer Lebensfreude. Diesem edlen Ziel verpflichtet, jettet dieser Tage der Sportausschuß des Bundestages durch die neuen, entathletisierten Länder und betätigt sich in sportlicher Seelsorge. Nach den Musterklubs in Neubrandenburg und Magdeburg landete der Hubschrauber der Sportpolitiker in Leipzig auf dem frisch gemähten Rasen der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK).

Ausschußvorsitzender Ferdi Tillmann und seine Sportfreunde spazierten anschließend über drei Stunden durch das großzügig angelegte Areal der Sporthochschule. An ihrer Seite tippelten der DHfK-Rektor Kirchgässner und Studenten des Sprecherrates. Sie begannen schon im Dezember, ihr sportstudentisches Schicksal in die eigenen durchtrainierten Arme zu nehmen. Damals sollte die Hochschule abgewickelt werden. Heftige Studentenproteste in Dresden und Leipzig verhinderten zwar die Liquidierung der Schule, aber nicht deren Vereinnahmung in eine allgemeine Leipziger Universität.

Die Studenten fuhren außerdem nach Bonn zu jenen Abgeordneten, von denen sie sich Trost und Hilfe versprachen. „Leipzig muß ein Standort der Sportwissenschaft bleiben“, erklärte nun Tillmann (CDU), „wir müssen zusammen mit dem Land Sachsen Möglichkeiten für die Erhaltung der DHfK finden.“ Das klingt genauso aufmunternd wie niederschmetternd, denn das Land hat kaum Interesse an weiterer finanzieller Belastung durch den Sport.

Die Studenten versuchen inzwischen flexibel auf die Sturzfahrt des Leistungssports zu reagieren: Heilgymnasten, Fitneßbetreuer oder Bademeister scheinen noch die besten Berufschancen zu haben. Ihr eigentliches Ziel aber: Trainer im Hochleistungssport, bleibt nahezu unerreichbar. Denn selbst wenn das Sportstudium abgeschlossen und anerkannt wird, bleibt die Frage: Wen sollen die überzähligen Trainer im Osten Deutschlands noch trainieren?

Die Tragödie „Spitzensportler wandern in den Westen“ findet täglich seine kollektive Neuauflage. Die Meldungen der letzten zwei Tage: Handball-Nationalspieler Uwe Seidel sprintet von Frankfurt nach Essen, vier Biathleten um Karsten Heymann schlittern von Zinnwald nach Ruhpolding, die Ruder-Weltmeisterin Birgit Peter steuert von Potsdam nach Wetzlar.

Trainerwechsel in den Westen sind längst nicht mehr bekannt. Es bleibt eben nur das Prinzip der Hoffnung. bossi