Die Gagausen aber bauten Getreide und Wein an

Die in der Sowjetrepublik Moldawien lebenden türkisch sprechenden Gagausen kämpfen gegen Rumänisch als Staatssprache  ■ Von Erhard Stölting

In vielen sowjetischen Republiken haben die Nationalbewegungen Probleme mit eigenen ethnischen Minderheiten. Von den 197.000 sowjetischen Gagausen leben 153.000 in Moldawien — 3,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. 140.000 von ihnen wohnen im Südwesten der Republik um das 30.000 Einwohner zählende Städtchen Comrat herum.

Weltweit bekannt wurden die Gagausen, als ihre Vertreter gemeinsam mit den russischen Organisationen gegen das Rumänische als Staatssprache und die lateinische Schrift ankämpften. Nachdem die moldawische Bewegung im Frühjahr 1990 an die Regierung gewählt worden war, riefen die Gagausenführer ihre eigene Sowjetrepublik aus. Der russisch dominierte Landesteil östlich des Dnjestr tat kurz danach das gleiche. Die Regierung verbot, es kam zu Schießereien zwischen nationalen Kampftruppen. In dem Vermittlungsversuch der Moskauer Zentrale sahen die einen imperiale Heimtücke, die anderen Schlappschwänzigkeit.

Daß die Gagausen in einen Nationalkonflikt involviert sind, ist geschichtlich neu. Seit Jahrhunderten waren sie einfache Bauern — die aber werden unterdrückt und unterdrücken nicht. Sie erzählten sich Märchen und sangen Lieder, bewahrten aber keine Akten und Chroniken auf. So gehören sie zu den alten Völkern ohne Geschichte.

Einfache Bauern

Da das gagausische Türkisch trotz eines starken bulgarischen Einflusses anderen Türken leicht verständlich ist, halten die meisten Forscher das Volk der Gagausen für die Nachkommen jener Reitervölker, die bis Anfang des 13. Jahrhunderts die Steppen der heutigen Südukraine unsicher machten.

Der Name „Gagaus“ könnte dem alten Stammesnamen „Gök Oghuz“ entsprechen. Gleichgültig, ob es sich um ehemalige Bolgaren, Kyptschaken, Kumanen, Usen oder Petschenegen handelt — im 12. Jahrhundert traten sie in byzantinische Dienste, ließen sich taufen und im Nordosten des heutigen Bulgarien als Grenzwächter ansiedeln. Von hier wanderten sie Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts nach Bessarabien, die heutige Republik Moldova. Rußland gab gutes Land, in der Hoffnung auf gute Dienste. Die Gagausen aber bauten Getreide, Gemüse und Wein an und versorgten ihre Popen.

Seit Anfang dieses Jahrhunderts gibt es erste Ansätze zu einer Schriftkultur. Erst 1957 wurde dem Gagausischen aber ein kyrillisches Alphabet verordnet. Die erste gagausische Zeitschrift, 'Ana Sözü‘ (Muttersprache) erscheint seit 1986. Seit 1989 gibt es die konservative Organisation „Gagauz Halky“ (Gagausenvolk). Die reformerische Gegenströmung, die mit der moldauischen Volksfront paktiert, ist schwach. Die Nation bildet sich erst, und ein heftiger Konflikt könnte ihr vorschnelles Ende bedeuten.