Baker versucht sich als Eisbrecher am Nil

■ Die festgefahrene Nahost-Diplomatie macht wieder Fahrt/ Baker möchte durch Reisediplomatie zwischen Kairo und Tel-Aviv israelisch-arabische „Berührungspunkte“ ermitteln

Kairo/Tel Aviv (taz) — Die politische Führung Israels sieht in der Einigung mit US-Außenminister Baker einen taktischen Sieg, der Israel in ein positives Licht rückt. Durch die konstruktive Einstellung zu den US-Vorschlägen hat Israel im Westen einen guten Eindruck gemacht; eine arabische Ablehnung würde die andere Seite als „Spielverderber“ bloßstellen. Den USA geht es jetzt vor allem darum, eine erste israelisch-arabische Zusammenkunft herbeizuführen, um das Eis zu brechen. Alles andere sind danach zu regelnde „Details“. Nach seinen jetzigen Gesprächen in Kairo und Damaskus hat Baker die Absicht, vermutlich am Freitag oder Samstag nach Israel zurückzukehren und in Kenntnis der arabischen Position die „gemeinsamen Berührungspunkte“ mit Israel zu erörtern.

In seinen Gesprächen mit Verteidigungsminister Arens soll Baker der Hoffnung Ausdruck gegeben haben, daß Saudi-Arabien und Kuwait die ersten Staaten sein werden, die den arabischen Wirtschaftsboykott gegen Israel beenden. Darüber will Baker auch in Kairo mit dem saudischen Außenminister sprechen.

In der ägyptischen Hauptstadt ist der US-Außenminister gestern nach einem abschließenden Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Schamir eingetroffen. Auf der Tagesordnung steht eine arabisch-israelische „Regionalkonferenz“. In einer solchen Konferenz sehen die USA einen möglichen Kompromiß zwischen der von den arabischen Ländern gewünschten internationalen Nahost-Konferenz unter Vorsitz der UNO und den von Israel geforderten bilateralen Gesprächen mit den arabischen Nachbarstaaten.

Die Frage der neuen Sicherheitsordnung in der Region tritt bei diesem Besuch etwas in den Hintergrund. Trotz einiger Differenzen scheint Ägypten die Vorstellungen der USA weitgehend akzeptiert zu haben und fordert auch nicht mehr den vollständigen Rückzug ausländischer Truppen.

Dagegen treten beim arabisch-israelischen Konflikt offenere Differenzen zutage. Die während der Golfkrise gezeigte Übereinstimmung ist gewichen, die Regierung Mubarak zeigt inzwischen wieder eigenes Profil. Kairo zieht eine internationale Nahost-Konferenz gegenüber Einzelgesprächen Israels mit den arabischen Staaten vor und sieht das Prinzip „Land gegen Frieden“ als Voraussetzung für jede Lösung. Von Israel wünscht Ägypten die Räumung der Siedlungen in den besetzten Gebieten und die Abhaltung von freien Wahlen unter UN-Aufsicht.

Am Tag vor dem Baker-Besuch setzte in Kairo eine ungewöhnliche Reisediplomatie ein. Mit dem Ende des Golfkrieges ist Mubarak aus dem Golf-Dornröschenschlaf erwacht. Dem libanesischen Präsidenten Hrawi versicherte er am Telefon, er werde gegenüber dem US-Außenminister auf einem bedingungslosen israelischen Abzug aus Südlibanon bestehen. Kurz darauf machte er sich in Begleitung einer Delegation ganz überraschend zu einem Treffen mit seinem libyschen Amtskollegen Ghaddafi nach Tripoli auf. Auf Ghaddafis Vermittlung, so berichtete die saudische Zeitung 'Sharq al Awsat‘, habe sich Mubarak sogar inoffiziell mit PLO-Chef Arafat zusammengesetzt, der sich ebenfalls dort aufhielt. Bei der Rückkehr nach Kairo wartete dann bereits der syrische Außenminister Farun Al Sharaa mit einem Brief des syrischen Präsidenten Assad. Er hatte Mubarak bereits Anfang des Monats in Kairo getroffen. Fast zeitgleich mit Baker traf dann gestern der saudische Außenminister Feisal Al-Saud in Kairo ein, um vor den Baker-Gesprächen mit seinem ägyptischen Amtskollegen die arabische Position auszuloten.

Die Ägypter bemühen sich zur Zeit um eine Achse Riyadh-Kairo- Damaskus, um die zerrissene arabische Familie wieder zu einen. Sie können sich eine regionale Konferenz nach dem Vorbild der KSZE vorstellen, mit Kairo als Tagungsort — aber nicht als Ersatz für eine internationale Nahost-Konferenz. Auch lehnen offizielle Kreise in Kairo die Suche nach einer Ersatz- PLO ab.

„Meiner Meinung nach können nur die Palästinenser selber bestimmen, wer sie vertritt“, sagt der ägyptische Außenminister Abdel Meguid in einem Interview. „Unsere Differenzen mit der PLO waren über den Golfkonflikt, aber nicht über den Weg zur Lösung des Palästina-Problems.“ Demonstrativ empfing Abdel Meguid vor einer Woche das Mitglied des PLO-Exekutivkomitees Abu Mazin. Palästinensische Kreise in Kairo bestätigen, daß auch während der Golfkrise die ägyptisch-palästinensischen Kontakte nie abgebrochen worden.

Der Optimismus der Ägypter darüber, daß nun endlich der Zeitpunkt für eine dauerhafte Friedensordnung im Nahen Osten gekommen ist, wird jedoch immer wieder von Zweifeln abgelöst, ob es der USA und Israel wirklch ernst sei. Die halboffizielle Zeitung 'Al-Akhbar‘ befürchtet, daß die Israelis nur Zeit gewinnen wollen. Nur ökonomischer Druck der USA könne die Shamir-Regierung zu einem Rückzug aus den besetzten Gebieten bewegen. Aber dazu sei Washington nicht bereit. Ein Pressekommentar bringt es auf den Punkt: „Irak ist eben eine Sache, Israel eine andere“. Amos Wollin/Karim el-Gawhary/Ivesa Lübben