Weniger ist mehr — aber nur manchmal

■ Um Entlassungen zu vermeiden, sollen Brandenburgs LehrerInnen ab September verkürzt arbeiten/ Verordnete Teilzeit frißt Lohnerhöhungen fast auf

Potsdam (taz) — Den LehrerInnen im Land Brandenburg präsentierte die Bildungsministerin Marianne Birthler (Bündnis 90) vorgestern ein Überraschungsei: 6.500 LehrerInnenstellen werden im Zuge der Anpassung an die Personalausstattung der alten Bundesländer zum Schuljahresbeginn 1991/92 gestrichen, ohne daß auch nur einem/r „bedarfsbedingt“ gekündigt wird.

„Die Lehrerinnen und Lehrer bekommen nicht weniger sondern weniger als bisher,“ erklärte Marianne Birthler. Aufgelöst heißt das komplizierte Rätsel, daß alle KollegInnen einen Änderungsvertrag unterschreiben müssen, wonach sie ab September 20 Prozent weniger arbeiten — allerdings nicht weniger als bisher. Denn ab 1. Juli 1991 soll den PädagogInnen aus dem Osten die Pflichtstundenzahl erhöht werden — dafür erhalten sie 60 Prozent der Westgehälter. Das brandenburgische Bildungsministeriun rechnete aus, daß die LehrerInnen nach all dem Hin und Her ab September etwa die gleiche Anzahl von Pflichtstunden ableisten müßten. Dafür bekommen sie aber gerade mal 250 bis 600 Mark (brutto!) mehr im Monat. Die Ministerin ist aber optimistisch, daß die meisten KollegInnen im festen Glauben an zukünftige Gehaltserhöhungen wenigstens für eine Übergangszeit freiwillig ihrem Sozialpakt zustimmen. Natürlich schützt dieser Quasi-Kündigungsschutz nicht vor Entlassung „wegen fachlicher und persönlicher Nichteignung“ etwa wegen Stasi-Mitarbeit.

Das Angebot der Teilarbeitszeit hat dem Bildungsministerium noch bis vor kurzem Buh-Rufe der Brandenburger LehrerInnenschaft eingebracht. Doch dieser neue Variante stimmten selbst die Gewerkschaft und die Berufsverbände in einer Vereinbarung zu. Der Chef der GEW in Brandenburg Jeschke, sieht den Vorteil dieser Vereinbarung darin, daß der psychische Druck von den LehrerInnen genommen wird. Die erfuhren von dem sozialen Modell, das auch in den anderen Bundesländern Schule machen soll, erst aus der Presse. Für die HortnerInnen und FreizeitpädagogInnen greift diese Vereinbarung nicht. Sie stehen noch ohne Schutz da. ig/uhe