Das Ende des Schönwetter-Reformismus

■ Ralf Fücks (Grüne) zur Koalitionsdebatte — Eine Antwort auf Thomas Franke (taz v. 11.4.91)

In den Schuldebatten der Bürgerschaft konnte der damalige Senator Franke kaum den Anblick der CDU-Fraktion ertragen. Jetzt plädiert er also von der höheren Warte des Pensionärs zu Pferde für eine rot-schwarze „Rettungskoalition“ in Bremen. Der 'elder statesman‘ als Orakel, das ausspricht, was Wedemeier wirklich denkt. Die Botschaft ist simpel: Die freien und Hansestadt Bremen steht finanziell das Wasser bis zum Hals (das haben die Grünen übrigens vorausgesagt, als der Senat es noch vorzog, den Kopf in den Sand zu stecken). Kommt keine durchgreifende Reform des Finanzausgleichs, verkümmert Politik 1995 zur Konkursverwaltung. „Rot- Grüne Blütenträume“ wird weder der Bund noch sonst jemand subventionieren. Also hilft nur noch ein CDU-Banker als Finanzsenator, um Kohl und Waigel gnädig zu stimmen, auf daß die Milliarden an die Weser fließen. Einspruch, Euer Ehren.

Erstens: In Berlin wird ja schon praktiziert, was Franke forder: dort herrscht die ganz große Koalition der Stagnation. Die Innovationskraft ist futsch, aber die Bonner Kamarilla bleibt zugeknöpft. Merke: Vorauseilende Anpassung zahlt sich nicht aus.

Zweitens aber: Wenn Franke sagt, was desillusionierte Sozialdemokraten denken, dann ist die Bremer SPD nicht erst 1995 politikunfähig, sondern schon heute. Frankes Ruf nach der CDU ist eine Bankrotterklärung des Schönwetter-Reformismus der 70er Jahre. Wenn die fetten Jahre vorbei sind und die mageren beginnen, geben die alt gewordenen Jusos den Löffel ab. Dann rufen die Kinder von Marx und Coca- Cola nach dem strengen Hausvater Nölle, der den Konkurs abwenden soll. Die einen bauen den öffentlichen Dienst kräftig aus und finanzieren ihre guten Absichten auf Pump, und wenn sie nicht mehr weiterkönnen, sollen die anderen die nötigen Brutalitäten verüben. Danach kann es ja vielleicht mit der SPD- Herrlichkeit weitergehen. Ah je.

Auch Rot-Grün kann sich Franke nur als Schönwetter-Veranstaltung vorstellen. Ganz alleine steht er damit nicht. Ist es nicht klüger, angesichts der leeren Kassen unschuldige Opposition zu bleiben? Ganz im Gegenteil: Gerade jetzt müssen wir beweisen, wie wetterfest unsere Alternativen sind. So leer sind die Kassen übrigens nicht, wenn man den Mut zu neuen Prioritäten und zur nötigen Umverteilung von Ressourcen hat. Wenn ökologische Politik nur in Zeiten der Prosperität funktioniert, dann gute Nacht.

Rot-Schwarz heißt Kurzschluß zwischen Rathaus und Handelskammer. Rot-Gelb auch. Dann fliegen alle ökologischen und sozialen Sicherungen heraus.

Es ist Zeit für einen Machtwechsel in unserer Richtung

Rot-Grün müßte heißen: Erstens eine Koalition für die ökologische Erneuerung der Stadt und ihre Industrie — von den Umweltinitiativen bis zu aufgeklärten Managern, die wissen, daß die Zukunft in umweltverträglichen Techniken und Produkten liegt. Zweitens ein Bündnis gegen die soziale Entsolidarisierung, das an der Idee der einen Stadt für alle BürgerInnen festhält. Drittens kein Machtklüngel, sondern offener Dialog mit der Bevölkerung über die anstehenden Probleme und Entscheidungen.

Frankes „Realismus“ ist die Schlauheit der Resignierten. Er hat in 15 Jahren bürokratischer Bildungspolitik nicht nur die Kreativität vieler LehrerInnen und Eltern verbraucht, sondern auch seine eigene. Wenn man bilanziert, von wem in den letzten Jahren die politischen Impulse in Bremen ausgingen, dann war das nicht die SPD und schon gar nicht die CDU, sondern das grün- alternative Milieu dieser Stadt. Es ist Zeit für einen Machtwechsel in unserer Richtung. Ralf Fücks