Erbauung aus dem Weltall

■ »Little Heros« — DER JOCHEN zeigt Kurzfilme

DER JOCHEN ist der gute Geist der Kurzfilmszene, ein treuer Freund des Super-8- Formats und Fan des bierreichen Weiterstädter Filmfestivals. War er es, der dem letzten VIP-Filmfestival seinen unverwechselbaren Charakter verlieh, eine Festivalzeitung herausgab und vieles mehr organisierte, so meldet er sich jetzt wieder mal aus dem Dunkel der Kinosäle und lädt ein zu einem Programm mit insgesamt 14 neuen, klassischen und Lieblingsfilmen über »Kleine Helden«.

In Parade, einem Film von Georg Marioth, sind die Helden nicht alle klein. Manche, wie der langbeinige Afghane zum Beispiel, sind sehr groß und ehrfurchtgebietend. Aber genau wie die eher possierlichen Exemplare der Gattung, die Dackel, die Schneehunde und Pudel an roten, ausziehbaren Zierleinen, bat der Filmemacher sie alle um das gleiche. Die pelzigen Freunde sollten möglichst nett in seine Super-8-Kamera schauen. Das zu bewerkstelligen halfen die Herrchen und Frauchen, die Marioth als Hundebegleiter in Grünanlagen, vor Supermärkten, auf Spiel- und Parkplätzen traf. Interessant zu beobachten ist, daß die Hunde von heute offensichtlich so fotografiert werden wie die Kinder vor 10, 15 Jahren.

Während moderne Eltern unserer Tage ihre Kleinen am liebsten ganz natürlich, so als würden sie gar nicht fotografiert, knipsen, mußten Kinder früher gewisse Stellungen einnehmen und lachen, wenn das Vögelchen blitzte. Dieses Verhalten versuchen, so legt Marioths Studie nahe, die menschlichen Hundeeltern ihren vierbeinigen Zöglingen geradezu beizubringen... Schade, daß der Ton so mies ist, man versteht kaum, was bei diesen belehrenden Ermunterungen gesprochen wird. Ein anderes beliebtes Berlin-Thema behandelt Manfred Jelinskis Ich hasse den 9. November. In 13 Minuten liefert er eine fast komplette Zusammenstellung der Leiden all jener, deren idyllisches Dorfleben in Kreuzberg so jäh und rabiat zerstört wurde. Frei nach Jelinski hat aber ein jeder das Recht, einen Jägerzaun zum Schutz seines Kleingartens zu fordern — erst recht, wenn er von anderen Kleingartenbesitzern niedergetrampelt wurde!

Die wirklichen Helden unserer Zeit sind die Astronauten. Gleich zwei Filme des Programms widmen sich ihren Tätigkeiten. Torsten Alischs Little Lonley Boy und Dagi Brunderts klassisch-schöner Bericht aus dem Leben von sechs Spielzeugastronauten. Auf ihren Expeditionen durch Küchenregale, Kühlschränke, an geheimnisvoll sprudelnden Mineralgewässern vorbei haben sie allerlei Abenteuer zu bestehen. Weil sie als Berufskameraden zusammenhalten müssen, ruhen sie auch nicht eher, bis sie den einen, der vom Weg abgekommen war und sich ins Eisfach verirrt hatte, wiedergefunden und befreit haben. Little Lonley Boy von Torsten Alisch ist der neueste Film im Programm, eine Super-8-Dokumentation über den Astronauten Michael Collins und das Wesen der Raumfahrt.

In vom Fernsehschirm abgefilmten Interviewpassagen erzählt Collins in diesem Film Wissenswertes über seinen Beruf und über Erfahrungen, die er von dort mit zurück auf die Erde gebracht hat. Wie viele seiner Kollegen hat Collins offenbar im Weltall viel begriffen, denn viel echtes Mitgefühl schwingt in seiner Stimme, als er den Zuschauern erzählt: »Es gibt Menschen auf der Welt, die keinen Freund haben. Sie sind einsam.« Im Unterschied zu manchen anderen Filmen in diesem Programm ist Little Lonley Boy sorgfältig montiert — zum Beispiel gibt es eine sehr schöne Filmvorlaufband- Raketenstart-Analogie — und zeigt damit, daß viele der etablierten Schnittechniken eigentlich doch besser funktionieren, als wenn sie pseudo-subversiv mißachtet werden.

Außer der kunstgewerblich wirkenden Punk-Hommage an David Cronenberg Spik-Bebis gibt es noch einige Wiederaufführungen, eine überaus sehenswerte Wiederausgrabung aus dem Jahr 1982, Das Leben des Sid Vicious von der tödlichen Doris und einen Film, den man sich nicht oft genug anschauen kann: Heino Jäger von Kalle Anker aus Hamburg. Ein Film über den alltäglichen Wahnsinn des Dachstuhlausbaus, der Kindererziehung und Karnevalsfeiern. Ein wirklich lehrreicher Essay aus dem Mund eines Norddeutschen, auf dessen haarigen, schwer atmenden Bauch Dias von großer Mitteilungskraft projiziert werden. Dorothee Wenner

Little Heros am 12., 13., 14. April um 21.30 Uhr im Eiszeit, anschließend im Sputnik, FSK und Arsenal. Termine dort siehe im Programmteil.