KOMMENTARE
: Einstweilige Verfügung

■ Die PDS versucht, das Buch „Tatort Politbüro“ zu unterdrücken

Die PDS bläst zur kleinen juristischen Frühjahrsoffensive. Wegen der Überprüfung angehender Lehrer, die Fragebogen über ihre berufliche und politische Vergangenheit bei Stasi, SED und NVA ausfüllen sollen, klagt sie beim Bundesverfassungsgericht gegen das Land Sachsen-Anhalt. Eine weitere Klage in Karlsruhe richtet sich gegen die Weigerung der Treuhand, auf den PDS-Vorschlag zur endgültigen Vermögensregelung der Parteifinanzen einzugehen. Mit ihrem neuesten forensischen Vorstoß hat sie beim Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung gegen die Auslieferung des Buches „Tatort Politbüro. Die Akte Honecker“ von Peter Przybylski erwirkt. Die Erstausgabe ist allerdings schon im Buchhandel. Der Antragsteller: PDS-Ehrenvorsitzender Hans Modrow, seinerzeit SED-Bezirkschef in Dresden. Begründung: Das Buch enthalte Briefe und Protokolle, die „ohne Genehmigung“ dem SED-Parteiarchiv entnommen worden seien. Der Verlag Rowohlt Berlin wird gegen die einstweilige Verfügung Einspruch erheben.

Die Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel gegen eine qualifizierte Diskussion über die SED-Geschichte en détail wirft ein Schlaglicht auf die wortreichen Bekundungen des PDS-Vorsitzenden Gysi, die „Partei des demokratischen Sozialismus“ stelle sich ihrer Vergangenheit. In Wirklichkeit ist sie weder willens noch in der Lage dazu. Daß ausgerechnet der brave Hans Modrow eine Veröffentlichung ehemals geheimer Dokumente verhindert, die das ganze Ausmaß der stalinistischen Kommandobeziehungen zwischen SED, Stasi und KPdSU offenbart, ist immerhin überraschend. Abgesehen davon, daß SED-Parteiakten in der DDR faktisch Staatsakten waren, stammen etwa die Briefe von Breschnew an Honecker (vice versa) und jene in bestem Beamtendeutsch abgefaßten Direktiven zur „Festnahme bzw. Liquidierung aufgeklärter subversiver Kräfte“ aus der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte gegen Erich Honecker. Peter Przybylski, ehemals Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft der DDR und Herausgeber des inkriminierten Buches, hat bereits vor Monaten die Genehmigung zum Druck der brisanten Unterlagen erhalten, die jetzt bei der Bundesanwaltschaft liegen. Modrow wußte davon: Er selbst wurde für den Band interviewt.

Jetzt wird deutlich, was die PDS meinte, als sie sich im Dezember 1989 als Rechtsnachfolgerin der SED inthronisierte. Statt der politischen Verantwortung für das Erbe der Einheitspartei hat sie ihre Konten übernommen. Statt Aufklärung betreibt sie Verdunkelung. Statt der Geschichtsschreibung bemüht sie die Gerichtsschreibung. Reinhard Mohr