Neue Verfassung für Albanien

 ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

Gestern veröffentlichten die albanischen Tageszeitungen den Entwurf einer neuen Verfassung, die am kommenden Montag im Parlament verabschiedet werden soll. Was in den Nachbarstaaten Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien seit Monaten für heftigste Debatten sorgt, scheint in Albanien in Windeseile durchgesetzt zu werden. Die regierenden Kommunisten — sie erhielten bei den ersten „freien“ Wahlen vor zwei Wochen zwei Drittel aller Parlamentssitze — erklären sich fortan bereit, auf das Attribut „sozialistisch“ zu verzichten, Albanien wird künftig als eine Republik anstelle einer sozialistischen Volksrepublik definiert. Gestrichen werden alle Bezüge zum Marxismus-Leninismus, strikt getrennt werden das Verhältnis der Parteien zu Staat, Verfassung und Parlament, die Polizei und die Armee werden entpolitisiert, die Religionsfreiheit garantiert.

Schon gestern berichtete das ZK- Organ 'Zei i popullit‘, der Verfassungstext sei so gut wie beschlossen, weil die KP über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfüge. Kritikpunkte aber gibt es genug: Dem Staatspräsidenten sollen fortan noch mehr Rechte zugestanden werden als er sie bisher hatte. Ihm allein obliegt es, die Regierung zu ernennen und zu entlassen, das Parlament aufzulösen und den Ausnahmezustand auszurufen. Auf Dekret-Basis kann er nahezu „absolutistisch“ regieren.

Im Dezember hatte es bereits die ersten Verfassungsänderungen per Dekret gegeben, wonach die Gründung unabhängiger Parteien und Gewerkschaften erlaubt sowie das Streikrecht und das Recht auf Privateigentum eingeführt wurden. Damit aus der Verfassungstheorie eine Verfassungswirklichkeit wird, soll ein unabhängiger Verfassungsgerichtshof ins Leben gerufen werden.

Staats- und Parteichef Ramiz Alia muß allerdings mit Gegnern aus den eigenen Reihen bei der Verabschiedung des Textes rechnen. Stimmt nämlich die kleine parlamentarische Opposition gegen den Verfassungstext, so brauchen die Dogmatiker in der KP nur zwei, drei Stimmen um Alias Verfassungsreform zum Scheitern zu bringen.

Am Donnerstag verließen die letzten 11 albanischen Juden das Land in Richtung Israel, wo sie 300 jüdische Flüchtling wiedertreffen werden, die in den beiden vorausgegangenen Monaten durch die jüdische Organisation „Joint“ nach Israel geschleust worden waren.