Kahlschlag im Aids-Etat

■ Mittel für Prävention und Versorgung fallen dem Bonner Streichkonzert zum Opfer

Berlin (taz) — Kahlschlag in Bonn: Die Mittel für die Aids-Bekämpfung werden kräftig zusammengestrichen. Trotz zusätzlich notwendiger Aufklärung und Prävention im Osten regiert der Rotstift. Von ursprünglich vorgesehenen 102 Millionen Mark soll der Aids-Etat auf 85 Millionen schrumpfen. Gesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt (CSU) hat viel zu spät interveniert. Vor dem Nationalen Aids-Beirat versprach sie am Mittwoch, sich doch noch für eine Erhöhung der Finanzmittel einzusetzen. Am nächsten Mittwoch tagt der Haushaltsausschuß.

Eine Neuverteilung der Aids-Mittel wird seit langem gefordert. Das Prinzip Gießkanne soll endlich durch eine Konzentration der Gelder auf die hauptsächlich von Aids betroffenen sogenannten Risikogruppen abgelöst werden. „Da wurde jeder Oma Angst vor Aids gemacht, aber die Schwulen und Drogenbenutzer hat man im Regen stehen lassen“, sagen die Kritiker. Doch im neuen Haushaltsplan werden Streetworker und Aids-Hilfen, die wichtigsten Adressen für Fixer und Schwule, von den Streichungen nicht ausgespart.

Hauptsächlich betroffen von den Mittelkürzungen sind zahlreiche vom Bund finanzierte Modellprojekte, die im Jahr 1987 noch von Ministerin Süssmuth als Aids-Sofortprogramm beschlossen worden waren. Allen voran das „Großmodell Gesundheitsämter“: In 309 Gesundheitsämtern wurden damals Aids- Berater eingesetzt. Deren Arbeit soll nun im Juni enden. Damit fällt der — sicher nicht notwendige — Aids-Berater in der Oberpfalz ebenso dem Rotstift zum Opfer wie der in Köln und Berlin.

Ebenfalls vor dem Aus stehen die Modellprojekte „Ambulante Pflege“, „Aids und Kinder“, „Aids und Drogen“ und andere mehr. Durch diese Projekte war in den letzten Jahren ein Netz von Beratungs- und Versorgungsmaßnahmen bei Aids-Hilfen, Drogen-Hilfen und Gesundheitsämtern aufgebaut worden. Allein an dem Modellprojekt „Ambulante Pflege“ hängen etwa 200 Stellen bei Sozialstationen, Aids- Hilfen und neugegründeten Pflegevereinen aus der Selbsthilfe. Vor allem in den Metropolen sieht sich dieses Netzwerk immer mehr Aids- Kranken gegenüber. In einer Stadt wie Frankfurt/Main wird mit diesen Ressourcen etwa die Hälfte der ambulanten Versorgung von Aids-Patienten geleistet. Nach den bisherigen Plänen würden in Frankfurt nicht weniger als 15 bisher vom Bund bezahlte Stellen wegfallen — eine „Katastrophe für die Versorgung“, so die Deutsche Aids-Hilfe (DAH).

Die DAH, seit Januar mit der ehemaligen Aids-Hilfe der DDR fusioniert, soll statt der beantragten 12 Millionen nur 6,7 Millionen Mark erhalten. Selbst im vergangenen Jahr hatte die DAH 6,8 Millionen Mark zur Verfügung. Jetzt hat sie vier Mitarbeiter der neuen Bundesländer samt zusätzlichen Räumen in Ost- Berlin übernommen, soll mit einer neuen Kampagne die Ausbreitung von HIV in Ostdeutschland verhindern und gleichzeitig im Westen immer mehr Infizierte und immer mehr Kranke beraten und betreuen. Und sie muß Gehalts-, Preis- und Mieterhöhungen auffangen. DAH-Sprecher Michael Lenz: „Die massiven Kürzungen zeigen, daß sich die Bundesregierung der Aids-Herausforderung nicht mehr stellen will.“ Dies werde „irreparable Schäden“ zur Folge haben bis hin zur sozialen und gesundheitlichen Verelendung von Menschen mit HIV und Aids.

Das Bonner Gesundheitsministerium will jetzt die Länder in die Pflicht nehmen. Sie sollen die Modellprojekte weiter finanzieren. Doch von Länderseite kamen bisher nur Absagen und schwere Vorwürfe an die Gesundheitsministerin. man