Krankenbetten für Flüchtlinge

■ Bündis 90/Grüne/UFV und SPD in Berlin fordern Aufnahme von kurdischen Giftgasopfern

Die Transparente sind ausgewechselt, die Demonstranten sind andere geworden. An der Berliner Gedächtniskirche, wo bis zum 27. Februar Jugendliche mit einer Dauermahnwache gegen den „Krieg für das Öl“ demonstrierten, hängt jetzt die kurdische Fahne. Auf Stellwänden kann, wer will, Fotos irakischer Giftgasopfer ansehen. Die drei Geschäftsreisende aus Westdeutschland, die gerade ihren Ku'damm- Bummel absolvieren, wollen jedenfalls nicht. Dafür nehmen sie das Flugblatt der kurdischen Demonstranten mit einem freundlichen „Danke schön“ entgegen. Und sowas, sagt Omar, Mitorganisator der Mahnwache, sei ihm noch nie passiert: „Die spenden sogar.“ Daß diese Mischung aus Mitleid und Wohlwollen vergänglich ist, weiß er, „aber nun sind wir endlich mal im Mittelpunkt der internationalen Öffentlichkeit. Das muß man nutzen.“

Seit Wochen herrscht unter den kurdischen, irakischen und deutschen Menschenrechts- und Friedensgruppen hektische Aktivität. Mahnwachen, Demonstrationen, Bürobesetzungen, Hungerstreiks — die Aktionen erinnern an die Monate des Golfkrieges, doch die öffentliche Resonanz ist ungleich geringer. Auf einer Demonstration, zu der neben kurdischen und irakischen Gruppen auch Bündnis 90/Grüne, SPD und Gewerkschaften aufgerufen hatten, fanden sich nur rund 3.000 Menschen ein. Auf mehr Echo hofft zum Beispiel die deutsch-kurdische „Initiative Clara Haber“, benannt nach der Ehefrau des deutschen Giftgasexperten Fritz Haber, die nach vergeblichen Protesten gegen die Aktivitäten ihres Mannes im Ersten Weltkrieg Selbstmord beging. Die Initiative bittet, ähnlich wie die Berliner Ärztekammer, um Spenden, um eine Delegation Berliner ÄrztInnen und PflegerInnen in das Flüchtlingsgebiet zu schicken. Diese sollen dort in Zusammenarbeit mit kurdischen Medizinern die Errichtung von Ambulanzen vorbereiten. Helfen will man allerdings nicht nur vor Ort, sondern auch in Berlin. „Die Stadt muß ein Zeichen setzen“, forderte gestern der SPD-Politiker Harry Ristock, „und kurdische Giftgasopfer aufnehmen und medizinisch versorgen.“ Diesem Ziel hat sich auch die Initiative Clara Haber verschrieben. Unterstützt wird die Forderung auch von der Fraktion Bündnis 90/Grüne/ UFV. Was während des Golfkrieges für verwundete Verbündete so schnell zu bewerkstelligen war, heißt es in einem Antrag an das Berliner Parlament, könne bei kurdischen Kriegsopfern doch nicht so schwierig sein: nämlich Betten, ÄrztInnen und Medikamente in deutschen Krankenhäusern bereitzustellen. Andrea Böhm