Hübscher Technopark umkreist Uni mit Sündenfällen

■ Technologiepark Universität Bremen / „Nicht jede Mode ist schlecht“ / Interview mit High-Tech-Förderer

Wirtschaft und Wissenschaft sollen sich wechselseitig durchdringen. Wie oft haben bremische Politiker die intime Kooperation schon gefordert. Und nirgends erfüllt sich der Wunsch so augenfällig wie im Umkreis der Bremer Universität. Hier hat die Forderung nach Zusammenkunft ihren höchsten architektonischen Ausdruck gefunden. In allen Richtungen wird gebaggert — und gebaut. So gut wie kein Uni-Mensch kann mehr unterscheiden, ob sie/er nun vor einem neuen Industrieunternehmen steht oder vor einem frisch eröffneten universitären Forschungsinstitut.

Die taz befragte Wolfgang Schmidt über das Wesen des „Technologiepark Universität Bremen“. Schmidt ist beim Wirtschaftssenator für Technologieförderung zuständig und kundig im Labyrinth.

taz: Technologiepark Universität — warum ist er als Gewerbefläche so attraktiv?

Wolfgang Schmidt: Hochwertige Unternehmen wollen heutzutage nicht mehr in irgendwelche Barackensiedlungen ziehen. Sondern da muß das alles ein bißchen propper aussehen. Die anderen Ansiedlungsgebiete in Bremen entsprechen dem Typ der früheren Gewerbegebiete: Straßen wurden angelegt, ein Unternehmen steht neben dem anderen, eins groß, eins klein. Das Gewerbegebiet an der Universität ist dagegen durchgeplant: landschaftsökologisch, städtebaulich. Man darf nicht höher als zwei bis drei Stockwerke bauen. Man muß aufwendig die Fassaden verklinkern. Das wirkt in sich hübsch und die Umgebung ist auch schön.

Der Bürgerpark auf der einen Seite, diese hochwertigen Wohngebiete in Schwachhausen auf der anderen Seite, dann das Naturschutzgebiet gleich nebenan und die Universität, die eigentlich auch ganz hübsch aussieht. Und es ist attraktiv für Unternehmen, die tatsächlich mit Wissenschaft zusammenarbeiten.

Wir fördern ja die Zusammenarbeit Wirtschaft-Wissenschaft. Danach suchen wir die Unternehmen aus. Daß die den kurzen Kontakt zu einem Hochschullehrer pflegen. Man trifft sich auf dem Campus, und die zufällige Kommunikation findet statt.

Die Verkehrsverbindungen sind auch günstig. Wir hoffen, daß wir Gastronomie und Supermärkte aufs Gelände kriegen.

Früher bauten Bürgermeister Schwimmbäder

Man muß natürlich auch sehen, ein Technologiepark ist eine Mode. Früher haben die Bürgermeister Schwimmbäder gebaut. Nicht jede Mode ist schlecht, aber man ist damit im Trend der Zeit. Wir können sagen: Wir haben hier einen Technologiepark. Und der Begriff ist schon positiv besetzt: Park.

Auf welche Betriebe sind Sie als Ansiedler stolz?

Das BITZ (Bremer Innovations- und Technologiezentrum — Nr. 13) an sich ist ein großer Brocken. Wir haben da dreißig Unternehmen drin, das ist schon ein Kristallisationspunkt. Nach meiner Kenntnis gibt es von fünfzig Gründerzentren drei in Deutschland, die in diesem Sinne wirklich funktionieren. Da gehört das BITZ dazu.

Eine wesentliche Ansiedlung ist auch die BREGAU (Bremer Gesellschaft für angewandte Umwelttechnologie — Nr. 12), die aus dem BITZ ausgesiedelt ist. Die BREGAU macht nicht nur Umweltanalytik, sondern bietet Unternehmen bei Umweltproblemen auch Lösungen an.

BRUKER FRANZEN (Nr. 10) im Bereich Massenspektrometrie und Kernspinntomographie ist auch ein gutes Unternehmen auf hohem technologischem Standard. BRUKER FRANZEN ist ein Ableger einer deutschen Mutter in Karlsruhe, die wiederum die Tochter eines amerikanischen Konzerns ist. Aber die Entscheidungen werden, soweit ich weiß, in Deutschland getroffen.

Strukturell gesehen eine sehr interessante Sache ist auch das Nutzerzentrum (Nr. 21) für den Fallturm. Der Fallturm selbst (Nr. 8) ist Wissenschaft. Aber direkt daneben werden wir ein Haus bauen, wo Unternehmen, die Fallturmexperimente durchführen, gleichzeitig Labore vorfinden und sich einmieten können. Das wird auch Impulse auf die Fläche bringen.

Welche Ansiedlungen betrachten Sie als Sündenfälle?

Man sollte eher nach der Konzepttreue fragen: Der BMW- Händler ist sicher nicht konzepttreu — damals gab es noch keinen Technologie-Park. Dann Meister-Computerpartner. Aber heute bin ich darüber nicht mehr traurig, weil die sich in Richtung Systemhaus entwickeln. Dem Konzept widerspricht auch die kassenärztliche Vereinigung, eine alte Absprache. Seekamp, die machen u.a. Bilder für Kaufhaus-Kataloge, die saßen schon früher da. Das gleiche gilt für Copy-Partners, Brinkschulte und Bauatelier Nord.

Welche Konditionen bieten Sie im Technologiepark?

Wir bieten die stadteigenen Grundstücke billiger an. Der Quadratmeterpreis liegt bei uns zwischen 50 und 60 Mark, auf dem freien Markt wären das sicherlich 200 Mark. Wir machen auch Straßenerschließung, Kanal- und Fernwärmeanschluß. Als zweite Fördermaßnahme haben die Betriebe im Technologiepark wie viele Unternehmen in Bremen Ansprüche auf Investitionskostenzuschüsse, wenn sie Arbeitsplätze schaffen. Drittens haben solche Technologie-Unternehmen eine gewisses Prä bei der Technologieförderung.

Warum fördern Sie einen Betrieb wie BRUKER FRANZEN, der vorher auch schon in Bremen ansässig war, so großzügig?

Bei Umsiedlungen innerhalb Bremens könnte man natürlich sagen: Netto bringt das nichts. Aber meine Vermutung ist, daß es hier eine kritische Masse gibt. Wenn sich hier hochwertige Bremer Firmen ansammeln, wird die ganze Fläche auch attraktiver für Unternehmen von außerhalb.

BRUKER FRANZEN gehört zu den Unternehmen, die Rüstungsproduktion betreiben. Der Spürpanzer Fuchs mit dem Massensprektrometer von BRUKER FRANZEN war im Golfkrieg ein begehrtes Produkt. Haben Sie da keine Berührungsängste?

Rüstung - ein Problem

Ein Problem, mit dem man umgehen muß als Wirtschaftsförderer, ist, daß sehr viele Dinge für die Rüstung wichtig sind. Aber keins der Unternehmen im Technologiepark ist abhängig von der Rüstung. Wir haben hier die Firma HPO — Hanseatische Präzisions- und Orbittechnik, die sitzt mit zwanzig Leuten im BITZ (Nr. 13) und stellt auf höchstem Niveau metallische Optiken her. Keiner in Europa kann Spiegel in der Qualität herstellen, wie HPO. Die Spiegel sind wichtig für Lasergeräte. Und Lasergeräte werden sowohl für die Landvermessung verwendet, als auch als Zielgeräte für Panzer, für Kanonen.

Auch der Fallturm. Die Mikrogravitationsexperimente sind eigentlich Wirtschaftsexperimente, aber viele dieser Sachen könnte man sicherlich auch für die Militärtechnologie verwenden. Wir fördern gezielt die zivile Anwendung der Technologie.

Wie bewältigen Sie den Andrang auf Ihre attraktivste Fläche?

Die Wirtschafts-Förderungsgesellschaft (WfG) filtert vor und kanalisiert um. Sie prüft, ob die Unternehmen dahin passen und ob sie so teuer bauen können. Wenn alles vorgeklärt ist, legt die WfG den Fall einer Arbeitsgruppe vor, die vom Wirtschaftssenator koordiniert wird. Wir prüfen, ob schon Beziehungen zur Universität vorhanden sind. Dann entscheiden wir. Als Ausweichfläche haben wir Horn-Lehe-West — das Gebiet bei den Sendemasten.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie Grafitis lesen wie: 'Die Uni ist an Daimler verkauft'?

Ich lese solche Grafitis sehr aufmerksam. Aus meiner Sicht geht es nicht, daß sich die Uni ausliefert. Das tut sie auch nicht.

Wie sieht das aus, wenn ein Hochschullehrer sich ausliefert?

Ich könnte mir — ganz abstrakt - vorstellen, daß ein größeres Unternehmen, das einen gewissen Know-How-Bedarf hat, immer Aufträge an einen Hochschullehrer vergibt. Dann kann es dazu führen, daß das, was er als Hochschullehrer in Lehre und Forschung macht, immer nur mit dieser einen Firma zu tun hat. Und daß er an seine Studenten nur noch Diplomarbeiten vergibt z.B. im Siemens-Interesse. Und wenn die Firma irgendwann sagt: Wir holen jetzt einen anderen, kann er sich schon so dran gewöhnt haben, weil er das Geld braucht für die Laborausstattung, für wissenschaftliche Mitarbeiter, daß sich Abhängigkeiten ergeben. Das hat auch mit seinem Image was zu tun. Wer viele Drittmittel hat, hat einen großen Laden, kann sich moderne Geräte leisten... Menschlich gesehen, kann man davon ausgehen, daß die Gefahr von Abhängigkeiten besteht. Das ist genauso wie bei einem Zuliefer-Unternehmen, das nur mit einem Großen zusammenarbeitet. Das kann nicht vom Rektor gesteuert werden und nicht von uns. Da muß man auf die Binnenkräfte im Fachbereich vertrauen.

Wieviele Arbeitsplätze haben Sie im Technologiepark geschaffen?

Tausend sind nachweisbar: 270 im BITZ (Nr. 13), 220 bei BRUKER FRANZEN (Nr. 10), 331 im Gewerbezentrum am Hochschulring (Nr.5). Wobei ich nicht sagen kann, daß alle neugeschaffen sind, oder daß alle High-Tech sind. Dann haben wir noch 400 bis 500 Arbeitsplätze in den Betrieben, die nicht unbedingt unseren Technologiepark-Kriterien entsprechen: Von der Kassenärztlichen Vereinigung bis zu Copy- Partners. Insgesamt rechnen wir bis '94 mit 3.500 bis 4.000 Arbeitsplätzen nur im Wirtschaftsbereich. Wir wollen auf keinen Fall, daß diese Fläche von großen Firmen dominiert wird. Große zerschlagen uns die Planung. Der Technologiepark soll eine lebendige Fläche sein.

Siemens erfüllt nicht die Kriterien

Siemens ist ein Großer. Siemens Bremen soll Riesenflächen kriegen, um aus der Innenstadt in Autobahnnähe umzuziehen.

Siemens Bremen fällt eigentlich nicht unter die Kriterien für den Technologiepark. Siemens Bremen hat Verwaltung, Vertrieb, Reparatur, da läuft an technologischer Entwicklung zur Zeit nichts. Aber wenn Siemens-Nixdorf mit auf die Fläche kommt, wird da auch Entwicklung stattfinden.

Die Siemens-Ansiedlung wurde nach übergeordneten wirtschaftspolitischen Kriterien entschieden.

Siemens nimmt Ihnen doch massig Fläche weg. Wann ist der Technologiepark dicht?

Bei dem Interesse, das in Bremen vorhanden ist, denke ich, sind wir '94 voll.

Auf welches Grünland dehnen Sie sich ab '94 aus?

Wir haben eigentlich keine Ausdehnungsmöglichkeiten. Bis auf den Süden. Das Problem ist, da sind die Kleingärten. Interview: Barbara Debus