: Staubsauger-Vertreter von Scientologen geschult
Die höchst dubiosen Praktiken der US-Firma Kirby/ Hat der TÜV Rheinland bei der Vergabe von Prüfzeichen geschlampt? ■ Von Klaus Wittmann
Die US-amerikanische Staubsaugerfirma Kirby, über deren zum Teil unseriöse Verkaufspraktiken bei Haustürgeschäften die taz berichtete, ist offenbar auch von der Scientology- Sekte unterwandert. Robin Direkt e.V., eine Schutzgemeinschaft für Vertreter, hat von Kirby-Außendienstmitarbeitern erfahren, daß sie zu Seminaren der Scientology- Chruch geschickt worden sind, bei denen es nur am Rande um den Verkauf des 2.000 Mark teuren Multifunktionsstaubsaugers gegangen sein soll. Kritisiert worden war die Firma Kirby, eine 100prozentige Tochter der Scott Fetzer Company, die insgesamt 18.000 Menschen beschäftigt, auch wegen technischer Unzulänglichkeiten des Geräts, das auch sprühen, schleifen und massieren kann. Die Scott Fetzer Company gehört wiederum dem Milliardär Warren Buffet, der 36 Prozent an Coca Cola und 40 Prozent an Gillette halten soll und Eigentümer der 'Washington Post‘ ist.
Vertragshändler der deutschen Kirby-Niederlassung sollen auf Schulungsseminaren gegenüber den angehenden Vertretern Nazi-Sprüche geklopft haben (s. taz vom 23.3.1991). Und immer dubioser erscheint die Rolle des TÜV-Rheinland, der die Sicherheit der Geräte verbürgt hat. Ehemalige Kirby-Mitarbeiter haben in eidesstattlichen Versicherungen Schlampereien bei der Vergabe des begehrten GS-Prüfzeichen festgehalten.
Der TÜV Rheinland hatte 1986 dem Kirby-Staubsauger die technische Zulassung erteilt. Nachdem sich zahlreiche Kunden bei Robin- Direkt über Stromschläge beim Staubsaugen beschwert hatten, ließ sich Kirby vom TÜV Rheinland die technische Unbedenklichkeit für den Staubsauger, von dessen Saugleistung viele Kunden nach wie vor überzeugt sind, erneut bescheinigen. „Der Kirby ist völlig in Ordnung, es kann bestenfalls zu einer statischen Aufladung kommen“, sagte TÜV- Ingenieur Peters, der das Gutachten erstellt hat.
Demgegenüber hatte die Dekra- Prüfstelle für Gerätesicherheit, an die sich Robin-Direkt nach den Klagen über Stromschläge gewandt hatte, zwei erhebliche Mängel festgestellt. „Diese stellen eine Gefahr dar, weil die berührbaren metallischen Teile im Schadensfall hätten spannungsführend werden können“, urteilte die Dekra nach den Worten ihres Pressesprechers Volker Dede.
„Prüfzeichen ohne Kontrolle verschickt“
Während der TÜV Rheinland weiterhin auf seiner ordnungsgemäßen Begutachtung und GS-Prüfzeichenerteilung beharrt, berichten die Robin-Direkt-Vorsitzende Renate Hartwig und Ex-Kirby-Mitarbeiter „von unglaublichen Schlampereien bei der Prüfzeichenvergabe“. Nur auf einen Anruf hin hätte sie, so Hartwig, vom TÜV Rheinland 5.000 GS- Prüfzeichen für 165,30 Mark zugesandt bekommen. „Die wollten weder einen Ausweis, daß ich wirklich Kirby-Händlerin bin, noch eine Bestätigung noch sonst etwas von mir.“ In einer eidesstattlichen Versicherung erinnert Renate Hartwig daran, daß sie den TÜV Rheinland mündlich und schriftlich auf die Mißstände aufmerksam gemacht hatte. Daraufhin sei ihr lediglich mit Schreiben vom 12. November 1990 mitgeteilt worden, daß jeder, der einen sogenannten GS-Ausweis des TÜV Rheinland besitze, Prüfzeichen bestellen könne. „Die sind gar nicht darauf eingegangen, daß sie eben bei meiner Bestellung und der prompt erfolgten Lieferung nichts dergleichen wissen oder sehen wollten. Kein Kirby-Gebiets- oder Vertragshändler besitzt einen solchen Ausweis.“ Was nicht ganz stimmt: Einer der Kirby-Vertragshändler zauberte auf Nachfrage der taz einen Genehmigungsausweis hervor — der an eben jenem 12. November 1990 aus den USA herübergefaxt worden war.
Es war nicht leicht, vom TÜV Rheinland dazu eine Stellungnahme zu bekommen. Ingenieur Peters, der den zitierten Brief an Renate Hartwig geschrieben hat, fühlte sich nicht zuständig. Und der Fachbereichsleiter der Prüfstelle für Gerätesicherheit, Kohler, der erst nach vier Vesuchen erreichbar war, erklärte nur zögerlich: „Der TÜV Rheinland vergibt Prüfzeichen sicherlich nicht leichtfertig.“ Über Schlampereien bei der Vergabe der GS-Prüfzeichen hat jedoch auch der einstige Kirby-Gebietshändler Stefan Obergfell, auf der deutschen Kirby-Karriereleiter einmal auf der zweithöchsten Stufe, etwas beizutragen. „Zu mir hat man im Kirby-Verkaufsbüro gesagt, ich solle sie mir bei einem Drucker machen lassen, als ich gefragt habe, woher ich die Prüfzeichen bekomme.“ Und Renate Hartwig hat inzwischen eine schriftliche Bestätigung vorgelegt, daß diese Vorgänge kein Einzelfall, sondern gängige Praxis gewesen seien, möglicherweise noch immer sind.
Gängige Praxis scheint es bei Kirby auch zu sein, neue Außendienstmitarbeiter von der Scientology-Sekte schulen zu lassen. Die Businesstraining-Firma Zabel & Schmitt (Ehingen bei Ulm) bekomme von Kirby Kursteilnehmer vermittelt. Renate Hartwig und ihr Mann Paul, der zwei Jahre lang Kirby-Gebietsverkaufsleiter war, haben sich im Juni 1989 selbst zu einem Führungsseminar bei Zabel & Schmitt überreden lassen. „Wir mußten uns verpflichten, mindestens drei Leute zu bringen, die das Verkaufsseminar belegen, damit wir dies überspringen und gleich an dem Führungsseminar teilnehmen dürften“, erinnert sich Renate Hartwig, die offen zugibt, zunächst begeistert den Vorträgen gelauscht zu haben.
Als dann jedoch die „Dianetik“- Bücher des Sektengründers Ron Hubbard verteilt wurden, sei ihr klar geworden, worum es bei dem Seminar gegangen sei, das pro Person für drei Tage ohne Übernachtung knapp 2.000 Mark gekostet habe. Dieter Schmitt, so Renate Hartwig weiter, gelte bei den Scientologen als „Patron“, auch sein Kollege Wolfgang Zabel sei Scientologe.
Wolfgang Zabel weist die Vorwürfe der Hartwigs zurück. Es gebe zwar „schon mal Empfehlungen von Kirby“, aber von engen Verbindungen oder gar Abkommen könne man nicht sprechen. Nach mehrmaligem Nachhaken gab Zabel zu, Scientologe zu sein, weigerte sich jedoch, sich weitergehend dazu zu äußern. Er bestreitet, daß Dianetik-Bücher in den Seminaren verkauft würden. Lediglich das Werk Way to Happiness des Sektengründers werde verteilt.
Wolfgang Zabel bestreitet, was mehrere ehemalige Kirby-Mitarbeiter, unter ihnen Norbert Henke aus Ingoldstadt, beteuern: daß nämlich mögliche Kursteilnehmer, die man sich von Seminargästen schriftlich empfehlen lasse, regelrecht zur Teilnahme genötigt würden. „Ich bin mindestens zwölfmal von Herrn Schmitt angerufen worden“, sagt Henke. „Teilweise sogar am Sonntagmorgen um halb sechs und nachts um zwei Uhr.“ Wolfgang Zabel sagte dazu lediglich: „Wer sonntags früh um sechs Uhr Leute anruft, ist schäbig. Das stimmt einfach nicht.“
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