US-Klimawissenschaftler nehmen Bush in den Schwitzkasten

■ Sorge ums Weltklima wächst/ Akademie der Wissenschaften verlangt Kehrtwende in der Klima- und Energiepolitik/ Machbarkeitsfetischismus der Techniker jedoch ungebrochen

Berlin (wps/taz) — Die schroffe Weigerung der Bush-Administration, wirksame Maßnahmen gegen die drohende globale Klimakatastrophe zu ergreifen, findet auch im eigenen Land immer weniger Anhänger. Eine Studiengruppe der ebenso einflußreichen wie konservativen US- Akademie der Wissenschaften hat jetzt ein Sofortprogramm gegen die Emission klimawirksamer Gase und die Energieverschwendung vorgeschlagen. In einer jetzt veröffentlichten Expertise kommen über 50 hochrangige Wissenschaftler der Akademie zu dem Ergebnis, daß die in den USA emittierten Treibhausgase um 10 bis 40 Prozent gesenkt werden können. Die globale Erwärmung könne merklich abgebremst werden, ohne daß die dazu notwendigen Maßnahmen die US-amerikanische Wirtschaft wesentlich belasten.

Die Resultate der Studie könnten die amerikanische Umweltpolitik und die gegenwärtig neuformulierten Zielvorgaben der Washingtoner Energiepolitik erheblich beeinflussen. Das Weiße Haus hatte wirksame Maßnahmen gegen den Treibhauseffekt unter Hinweis auf widersprüchliche Ergebnisse bisher stets abgeblockt.

Die Wissenschaftler bestätigen zwar erhebliche Unsicherheiten bei der Bewertung der Klimaänderungen, die Bedrohung sei aber inzwischen so deutlich, daß mit Gegenmaßnahmen nicht länger gewartet werden könne. Ein maßvolle Kontrolle der Klimagase heute bedeute eine relativ „billige Versicherung“ gegen mögliche verheerende Klimaauswirkungen im nächsten Jahrhundert. Für den konservativen Wissenschaftler-Klub bedeutet die Studie eine Kehrtwende gegenüber früheren Stellungnahmen zum Thema. Zuletzt hatte die Akademie 1983 noch jede Notwendigkeit von Maßnahmen gegen den Treibhauseffekt als überflüssig bezeichnet.

Als wirksamste Einzelmaßnahme bezeichnet die Studiengruppe, der auch Ökonomen und Ingenieure angehörten, nun einen raschen Verzicht auf Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die vor allem als Treibgase, in Klimaanlagen und Kühlschränken zum Einsatz kommen. Außerdem schlagen die Wissenschaftler Energieeinsparung und rationelle Energienutzung als Sofortmaßnahmen vor. Insbesondere soll die Wärmedämmung der Gebäude verbessert und der enorme Verbrauch der US-amerikanischen Autoflotte reduziert werden. Daneben müßten erneuerbare Energiequellen intensiver erforscht werden.

Daß der Glaube an großtechnologische Auswege aus der Klimakrise ungebrochen ist, beweist die Studiengruppe mit einer Reihe anderer Vorschläge. So soll weiter an der Entwicklung einer neuen Generation von Atomreaktoren gearbeitet werden. Außerdem sollten die USA und ihre Partner im Ausland geeignete Landschaften großflächig mit Spiegeln pflastern, um die einfallende Wärmestrahlung auf direktem Weg zurück ins All zu schicken. Dem Klimagas Kohlendioxid (CO2) wollen die Autoren der Studie unter anderem über die Ozeane zu Leibe rücken: Die sollen mit geeigneten Nährstoffen angereichert werden. Ein kräftiges Wachstum der Meeresflora werde dann die CO2-Aufnahmekapazität der Weltmeere erhöhen.

Der Chef der US-Umweltbehörde EPA, William Reilly, erklärte, die Bush-Administration werde den Bericht „ernsthaft prüfen und in Betracht ziehen“. Er sei in jedem Fall geeignet, „unser Wissen über eines der größten Umweltprobleme zu verbessern“. gero