And the show must go on...

Gegen das postmartialische Entertainment in den Medien hat eine ernsthafte Reflexion über die US-Politik am Golf keine Chance/ Die Bilder hungriger Kurden stören bei den Siegesfeiern nur/ George Bushs Wahlkampf mit heimkehrenden GIs  ■ Von Rolf Paasch

Twentynine Palms (taz) — So eine triumphale Rückkehr hatte sich Marine Sergeant Jay Vaetoe noch vor zweieinhalb Monaten kaum vorstellen können. Damals lag er mit seinem Kommando noch im Sand von Saudi- Arabien und mußte hilflos dabei zusehen, wie der militärische Transport nur zehn Meter neben seinen Leuten in einem Feuerball explodierte. Doch Sgt. Vaetoe ließ sich auch durch diesen horrenden Zwischenfall nicht von seinem Auftrag abhalten: der Beobachtung und Meldung angreifender irakischer Panzer. Heute versucht er den Tod von zwölf US-Marines durch das „freundliche Feuer“ irrtümlich angreifender amerikanischer Kampfflugzeuge zu verdrängen.

Um solche Männer wie Jay Vaetoe und sein GIs aus dem benachbarten Marines-Stützpunkt von Twentynine Palms zu begrüßen, waren an diesem Aprilwochenende rund 5.000 Einwohner in das südkalifornische Städtchen Indio auf den örtlichen Polo-Platz gekommen. Die Blasmusik spielte God bless Amerika, die Ehefrauen konnten ihr Glück über die Rückkehr ihrer Allerliebsten immer noch nicht fassen, und die Bewohner der Wüstenregion im Süden Kaliforniens schwenkten immer wieder ihre Fähnchen zu Ehren der heimkehrenden Wüstenkrieger. Kurzum, es waren Bilder und Szenen, wie sie sich in diesen Tagen und Wochen überall in Amerika abspielen, wo die Helden aus dem Golfkrieg zu ihren militärischen Stützpunkten zurückkehren.

Bob Hopes Party

Bei einem solchen Empfang durch die örtliche Bevölkerung wollte auch TV-Star und Entertainer Bob Hope nicht zurückstehen, der mit seinem Kriegskomödiantentum vom 2. Weltkrieg bis zum Golfkrieg keine Front ausgelassen hat. Kurzerhand lud dieser 300 Marines mitsamt Ehefrauen auf sein Anwesen in die benachbarte Millionärsresidenz von Palm Springs ein und ließ die Heimkehrparty mit den Stars aus Krieg und Showgeschäft unter dem Titel Bob Hope's Yellow Ribbon Party gleich auch noch als nationales TV- Spektakel aufzeichnen.

Da schmetterte die Chanteuse Pattie LaBelle ihren Tribut an die Truppen durch Bob Hopes Gartenszene, da lallte der senile Filmheld James Stewart seine lobenden Worte für die GIs ins Mikrophon; und schließlich meldeten sich auch noch die beiden Stars der Kriegskunst, General Powell und General Schwarzkopf, über Satellit mit einem Dankeschön an unsere „Männer und Mädels“ zu Wort. Wer sich das TV-Produkt vor wenigen Tagen ins Wohnzimmer holte, hätte für zwei Stunden glauben können, die ganze Nation habe sich seit dem Golfkrieg in eine 240 Millionen starke Militärfamilie verwandelt.

Nur eins störte bei der Übertragung des sonst perfekt inszenierten postmartialischen Entertainments: die Bilder hungriger und frierender Kurden in dem zwischendurch eingeblendeten Werbevorspann für die folgende Nachrichtensendung. Indes reflektiert das abendliche Fernseherlebnis genau die derzeitige Gewichtung zwischen dem Golfkrieg und seinen Folgen im öffentlichen Bewußtsein: auf die zweistündige Siegesfeier folgen rund 30 Sekunden irritierender Krisenbilder über die Folgen des US-Triumphes vor Ort.

Gespaltene Öffentlichkeit

Das Desinteresse der US-Bürger an der Nachkriegssituation im Irak steht in deutlichem Widerspruch zu der heftigen Diskussion innerhalb der Washingtoner Expertokratie über das Für und Wider einer weiterreichenden US-Intervention im Nahen Osten. Schon seit Wochen wird auf den Kommentarseiten von 'Washington Post‘ und 'New York Times‘ über das von der westlichen Koalition im Irak angerichtete Übel gestritten. Die Rechten beklagen sich bitterlich über die Hasenfüßigkeit der Bush-Administration, den militärischen Durchmarsch nach Bagdad und die Entmachtung Saddam Husseins nicht gewagt zu haben.

Nur die wenigsten Kolumnisten trauen sich allerdings, den Schluß zu ziehen, daß die ganze „Befreiung Kuwaits“ von Beginn an ein Fehler gewesen sein mag. Würde man doch damit den gerade heimkehrenden Truppen indirekt zu verstehen geben, daß ihr ganzer heldenhafter Einsatz eben nicht für Amerika, sondern für die Katz war. Für demokratische Politiker käme trotz der immer deutlicher zu Tage tretenden Malaise im Irak eine offene Kritik an der militärischen Intervention am Golf gar einem politischen Selbstmord gleich.

Solange diese Debatte jedoch nicht zur Hauptsendezeit in den Mainstream-Medien Einzug hält, bleibt sie für den Durchschnittsbürger in Georgia oder Arizona weiter entfernt als die Kriegshandlungen im Mittleren Osten. Für die TV-Networks mit ihren sinkenden Einschaltquoten und Werbeeinnahmen scheint es aber immer noch attraktiver zu sein, mit dem sensationellen und emotionalen Auftritt einer US- Kriegsgefangenen für die Frühstückshow zu werben als mit einer Infragestellung der US-Politik.

Die Verdrängung des Kurdenproblems aus der knallharten Politsphäre in das Reich der emotionalen „human interest story“ reflektiert dabei nur die Tatsache, daß die USA am Golf längst bekommen haben, was sie offenbar so dringend benötigten: endlich einen populären militärischen Sieg, der die Erinnerung an die schmähliche Niederlage in Vietnam ein für allemal auslöschen konnte. Im nachhinein erscheint es, als ließe sich die US-Politik am Golf besser mit der Notwendigkeit zu einer nationalpsychologischen Katharsis als mit einer imperialistischen Logik erklären. Mit der Erreichung dieses Ziels konnte sich dann der vor allem moralisch gerechtfertigte Kreuzzug für Kuwait über Nacht in eine zynische „Realpolitik“ für die Kurden verwandeln, ohne daß diese plötzliche Kehrtwendung daheim auf großen Widerspruch stieß. Angesichts der geringen Zahl von US-Toten gibt es auch aus der Sicht der US-Bevölkerung derzeit keine naheliegenden Gründe, die wirklichen Kosten für den politisch zweifelhaften Sieg nun nachträglich in Frage zu stellen.

Der Sieg des Triumphalismus über die Reflexion in der amerikanischen Öffentlichkeit hat auch noch andere als psychologische und medienpolitische Gründe. Da Präsident Bush mit der Entsendung von US- Truppen nach Saudi-Arabien im letzten Sommer gleichzeitig seine Wiederwahlkampagne begonnen hatte, ist seine Administration nun an einer langen Saison der Siegesfeiern interessiert. Indem George Bush den Nationalfeiertag des 4. Juli zum „Siegestag“ erklärt hat, hat er diese Strategie der Ablenkung von Themen wie Rezession, Haushaltsdefizit und Arbeitslosigkeit maximiert.