Europas Donaldisierung

Endlich geht es voran mit den Vereinigten Staaten von Europa. Wie soeben bekannt wurde, wird genau in einem Jahr Europas größter Vergnügungspark, 32 Kilometer östlich von Paris, seine Tore öffnen. Da die Europäer auf dem Gebiet des leichten Amüsements kein großes Licht sind, haben sie die Idee zu dem Freizeitpark den Amerikanern abgekauft und nennen den gigantischen Spielplatz kurz Euro-Disneyland. Das kitschige Ding wird nach dem Vorbild von Disney World in Orlando, Florida, aus dem Boden gestampft. 23 Milliarden Francs (6,9 Milliarden Mark) werden dafür verpulvert.

Die Euro-Disney-Gesellschaft gab letzte Woche freudig bekannt, daß schon die ersten Buchungen für den Hotelkomplex mit 5.200 Betten vorliegen. Außerdem bietet die Anlage einen Golf- und einen Campingplatz, ein Konferenzzentrum und Restaurants. Im ersten Jahr werden mindestens elf Millionen Besucher aus ganz Europa erwartet. An der Baustelle entlang der Autobahn Paris-Metz gibt es schon seit Dezember ein Informationszentrum, in dem ein Modell des Spielzeuglands zu sehen ist. Selbstverständlich werden auch schon Disney-Souvenirs verkauft. Die 1989 an der Börse eingeführten Euro-Disney-Aktien sind seitdem von 72 auf 120 Francs gestiegen.

Während die europäischen Massen dem Tag entgegenfiebern, an dem sie Abschied vom Alltag nehmen und ihre Kinder ins bonbonfarbene Reich jugendfreier Mythen und Träume schleppen können, macht sich ein kleines Häufchen Aufrechter ernsthafte Gedanken um die Disney- Figuren. Im Mittelpunkt des 14. Kongresses der Donald-Duck-Fans, die ihre 1977 gegründete „Deutsche Organisation nicht kommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus“ (D.O.N.A.L.D.) als wissenschaftliche Vereinigung verstanden wissen wollen, stand unter anderem die Frage: „Was ist eigentlich Herr Duck für einer?“ Sie konnte erschöpfend beantwortet werden: Donald Duck sei ein „aristokratischer Romantiker“, der seine Ketten abstreifen wolle und deswegen in die Verherrlichung des mittelalterlichen Rittertums flüchte, meinte der neue Vorsitzende des Enten-Klubs, Patrick Bahners. Nach Darstellung von Bahners (offizieller Titel: „Präsid- Ente“) wurde auch das Schulsystem in Entenhausen von den etwa 100 Donaldisten analysiert.

Für die nächste Zeit haben sich die Donald-Forscher noch mehr vorgenommen. Hauptziel bis zu ihrem nächsten Kongreß 1992 in Düsseldorf: die Donaldisierung Ostdeutschlands! Karl Wegmann