Drei Millionen Abonnenten zu verkaufen

■ Heute wird der Verkauf der elf größten ostdeutschen Regionalzeitungen durch die Treuhand erwartet

Berlin (taz) — Heute sollen die elf größten ostdeutschen Regionalzeitungen auf der Sitzung des Verwaltungsrates der Treuhandanstalt in Berlin endgültig unter den Hammer kommen. Schon im Vorfeld der Entscheidung, die nun zwei Monate nach Ausschreibungsende fällt, ist die Treuhand in den Reihen der kaufinteressierten westdeutschen Großverlage heftig unter Beschuß geraten. Denn bereits vor der offiziellen Ausschreibung hatten westdeutsche Verlage Kooperationsverträge mit den ehemaligen SED-Zeitungen abgeschlossen, in Personal und Kapital investiert und neue Techniken eingeführt, um schließlich zu erfahren, daß ihr Engagement zumindest formal keinerlei Einfluß auf das Ausschreibungsergebnis haben soll. Statt dessen hatte die Treuhand die Parole ausgegeben, daß sich alle Interessenten bis zum 10. Februar prinzipiell neu bewerben müßten.

Rund zwei Dutzend westdeutsche Großverlage haben sich nun um den Kauf von Regionalzeitungen mit einer Gesamtauflage von etwa drei Millionen beworben: Freies Wort (Suhl, 155.000 Auflage), Lausitzer Rundschau (Cottbus, 265.000), Leipziger Volkszeitung (400.000), Märkische Oderzeitung (Frankfurt/ Oder, 180.000), Märkische Volksstimme (Potsdam, 285.000), Nordkurier (Neubrandenburg, 175.000), Ostsee-Zeitung (Rostock, 255.000) Ostthüringer Zeitung (Gera, 208.000), Sächsische Zeitung (Dresden, 225.000), Schweriner Volkszeitung (175.000) und Volksstimme (Magdeburg, 400.000).

Entscheiden will die Treuhand vor allem unter dem Aspekt „Erhaltung der Medienvielfalt“. Dashalb wird vermutlich keinem der interessierten Westverlage mehr als nur ein Objekt übertragen. Als weitere Entscheidungskriterien gelten vorliegende Unternehmenskonzepte in bezug auf die Zahl der Arbeitsplätze und Investitionsplanungen, der gebotene Kaufpreis, bei dem die Bewertung der Abonnenten sogar die größere Rolle spielt. Bislang sind durchschnittlich 200 Mark pro Abonnent im Gespräch. Insgesamt wird ein Erlös von 800 Millionen erwartet.

Heftigen Ärger hat unter den westdeutschen Verlagen der klammheimliche Verkauf der Chemnitzer Freien Presse (600.000 Auflage) an die Rheinpfalz in Ludwigshafen und der Mitteldeutschen Zeitung in Halle (530.000) an den Kölner DuMont- Verlag ausgelöst. Der Deal lief außerhalb der offiziellen Ausschreibung. Vorwürfe, die Treuhand habe hier unter politischem Druck gehandelt, wurden vom stellvertetenden Vorsitzenden des Treuhand-Verwaltungsrates, Otto Gellert, als „infam und bösartig“ zurückgewiesen. Barbara Geier