: Honeymoon im Olympiastadion
■ Im Zeichen neuer Freundschaft taten sich Werder und Bayern nichts Böses
Was waren das für unterhaltsame Zeiten, als zwischen den beiden Vereinen, SV Werder Bremen und dem FC Bayern München, Vorurteil, Verachtung und Neid blühten. Wagten doch die Norddeutschen ihr Haupt gegen den überheblichen Geldgeier aus München zu erheben. Die konterten mit Geringschätzung einer ganzen Stadt gegenüber, die sie mit wirtschaftlichen Ruinen verglichen. Die Manager Hoeneß und Lemke schütteten wöchentlich bitteres Gift übereinander. Daraufhin verbündete sich ganz Fußballdeutschland mit dem SV Werder und wünschte sich nichts so innig wie einen bodenlosen Sturz der Bayern.
Aus und vorbei, der Vorhang für dieses unterhaltsame Theaterspiel ist gefallen. Fast schon familiär ist das Verhältnis der beiden Vereine geworden: Man speist am Vortag des Spieles in höchstem Kreis miteinander, pflegt ein legeres Du und verabredet
sich zum Pokalendspiel in Berlin, das selbstverständlich der SV Werder gewinnen wird. Lemke und Hoeneß überhäufen sich mit Komplimenten und die beiden Trainer, Rehhagel und Heynckes, geben sich wie Vater und Sohn. Günter Hermann umarmt seinen Spezi aus italienischen WM-Zeiten Augenthaler und spielt ebenso schlecht wie der. Auch die Mannschaften trennen sich gütlich mit einem langweiligen Unentschieden.
Selbst einen neuen gemeinsamen Feind hat man ausgemacht: Nicht der Emporkömmling aus der Pfalz, die Journalisten sind die wahren Miesepeter. Väterlich schützend warf sich Rehhagel an die Front, um Heynckes vor den Angriffen enttäuschter Münchner Schreiberlinge zu retten. Fast verlor er dabei seine Kontenance, als einer Heynckes vorwarf, die bodenlos schwachen Bremer nicht an die Wand gespielt zu haben. Mit einer Spielanalyse (“wie bei einer Waage: in Balance sind beide Gegner gleich stark“), dem versteckten Hinweis, daß der Zuhörerkreis (mit bestätigendem Nicken von Heynckes) sich end
hier bitte das
foto mit D. Eilts
aus dem Berlkiner Kasten
lich mehr Wissen über die Materie Fußball aneignen sollte und mit der globalen Verteidigung des Deutschen Fußballs, verabschiedete er sich, um nach liebevollem Streicheln seines Sohnes Jupp den Raum der Pressekonferenz zu verlassen.
Verlassen auch wir die Welt der Fußballweisen und begeben uns in die Niederungen des grünen Rasens. Dort wurde zunächst, unter Beifall und Glückwünschen der Werder-Spieler, Augenthaler für sein 400. Bundesligaspiel geehrt. Dies war der einzig erwähnenswerte Höhepunkt in den ersten 15 Minuten: Der SV Werder versuchte mit hohen Flanken und die Bayern mit Doppelpässen zum Erfolg zu kommen. Beides mißlang und so stolperten sie sich häufig den Ball im Mittelkreis zu. Die Bremer Abwehr mit Neubarth als Libero und Bratseth als Vorstopper ermöglichte Wohlfarth den Führungstreffer für die Bayern. Jetzt versuchte der SV Werder das Spiel „zu machen“, verfing sich aber immer wieder an der gut gestaffelten Mittelreihe der Münchner, die dadurch selbst zu erfolgversprechenden Kontern kam. Seine gesamte hintere Reihe sei in der ersten Halbzeit etwas indisponiert gewesen, dozierte Rehhagel und bescheinigte den Bayern, daß sie eigentlich mit mehr als einem Tor hätten führen müssen (beifälliges Nicken von Heynckes). Der bezeichnete seine Stürmer als nicht kaltblütig genug, da sie die Torchancen, die man gegen eine so hervorragende Mannschaft wie Bremen nicht alle Tage bekommt, nicht nützten (Nicken von Rehhagel).
In der zweiten Hälfte geschah ebenfalls nichts Aufregendes bis zum Elfmeterausgleich durch Rufer. Der war vom Münchner Vorstopper Kohler im Strafraum zu Boden gerissen worden und verwandelte den Strafstoß selbst. Fast hätte Bayerntorhüter Aumann die Lederkugel noch abfangen können, doch stand dem zukünftigen Missionar sein Herr im Himmel bei. Danach wars endgültig aus mit dem Fußball. Die Bremer schoben sich den Ball kreuz und quer über das Spielfeld zu. Die Münchner sanken fast nach jeder Ballberührung ermattet zu Boden und endlich erbarmte sich der gute Schiedsrichter Broska aus Gelsenkirchen und bereitete dem Gekicke ein Ende.
Vielleicht sollten die DFB-Verantwortlichen mehr auf Rehhagel hören, der behauptete, daß eine Mannschaft am besten spiele, wenn sie keinen Gegner hat: Der SV Werder im Weserstadion gegen einen fiktiven FC Bayern und die umgekehrt im Olympiastadion. Da könnten sich die Fans die Fahrtkosten sparen und die Mannschaften viel für ihr Torverhältnis tun. Nur, zu einem geselligen Umtrunk in einer der Nobelkneipen beider Städte käme es bei einem solchen System nicht mehr. Werner Steigemann
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