Folk: Zeitgeistig gewendet

■ “Folkländers Bierfiedler“ aus Leipzig auf musikalischer Weltreise in Bremen

Welch spannende Töne sich vor unserer mitteleuropäischen Haustür (wieder)finden lassen, erfuhren wir Deutschen bisher eher von weitgereisten Bands: Von „Mara!“ aus Australien etwa, von „Blowzabella“ aus England oder gar von den „Klezmatics“ aus der Lower East Side. Oder aber von Bands aus der DDR wie „Jams“ oder „Folkländers Bierfiedler“. Letztere sind drüben Stars der Szene, prägen entscheidend eine Tradition mit, die entsprechend ihrem englischen Vorbild „Ceilidh“ genannt wird — Tanzveranstaltungen zur Musik von Volksmusikgruppen.

Die von der Folk-Initiative organisierte Veranstaltung mit den „Bierfiedlern“ im Lagerhaus war zweigeteilt: in ein herkömmliches Konzert und ein Ceilidh am Schluß, wo dann vor allem die Mitglieder der Folk-Ini ihren wohleingeübten Spaß hatten. Obwohl der Name der Band eher aufs Bayernzelt verweist als auf neue Klänge, waren die Erwartungen hoch. Daß die fünf aus Leipzig sie nur zum Teil erfüllten, lag vor allem an ihrem Anspruch, dem Publikum eine weltumspannende folkloristische Palette vorzuführen, von Louisiana bis Israel, mit Umweg über Irland, selbstverständlich. So blieb der Gesamteindruck ein wenig beliebig, wenn auch solistisches Spiel und Klangbild ohne Fehl und Tadel waren, die Band sich professionell und witzig präsentierte.

Dennoch gab es eine Menge zu entdecken, manches war eine Ohrenweide. Wenn etwa Volker Seumel und Dirk Wasmund mit Violine und Klarinette die jiddischen Einflüsse auf deutsche Tanzmusik ins Spiel brachten oder Manfred Wagenbreth zu eigener Melodie einen alten Text über randalierende Handwerksgesellen in Kassel sang, dann wurde spürbar, wie aufregend und ungewöhnlich deutsche Volksmusik klingen kann. Selbst eine forsche Version vom „Wandersmann“ fand dazwischen einen verdienten Platz. Die Adaptionen wirkten zum Teil deplaziert. So witzig die Idee ist: Bob Dylan läßt sich nicht ins Wiener Cafe setzen. Aber dann wieder dies: Leonhard Cohens leise Ballade „Love You Till The Bitter End“ mit deutschem Text im Stil einer jiddischen Kapelye — es liegt so nahe und ist doch ein ungewöhnlicher, ein intelligenter Einfall.

Manfred Wagenbreth ist sich des Problems bewußt, daß die Hinwendung zum westlichen Markt eine Straffung des Konzepts erfordert. Man arbeite daran, so sagte er nach dem Konzert, eine Platte im Juli soll dies zeigen. Man darf, man muß gespannt sei. Rainer Köster