Lustvolle Monotonie

■ Beatrice Jaccard und Peter Schelling aus Zürich tanzten im Freiraum-Theater

Eine Höhle unter dem Meeresspiegel. Dunkle Gänge, vielfach gebrochene Lichtstrahlen. Tropfen, Gurgeln, Sog. Pflanzen wogen, getrieben von schweren Ozeanströmen auf und nieder, vor und zurück, fast schwerelos. Verwurzelt im Fels, tanzen sie schwebend im Gleichklang. Mal wird die eine eher erfaßt und die andere zieht wie ein Echo nach — zeitverzögert, langsam.

Das sind Beatrice Jaccard und Peter Schelling in ihrer Tanzperformance drift, die von Freitag bis gestern in Freiraum-Theater zu sehen war. Die beiden Zürcher, seit 1986 zum dritten Mal in Bremen, haben hier inzwischen eine regelrechte Fan-Gemeinde. Zwei TänzerInnen, die die Reduktion und die Wiederholung von Bewegungen zum Konzept erhoben haben.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Da ist kein Bühnenbild, nur zwei Menschen in Bewegung, getrieben durch atonale, assoziative, synthetische Musik — rhythmische Schläge und Streicherklänge zumeist — von Ernst Thoma für ihre Choreographie geschrieben.

Körperteile werden zu Hebeln einer Rhythmusmaschine. Knie, Hände, Arme klatschen, klopfen, stoßen. Sind die Bewegungen synchron, wirkt es leicht, wie automatisch. Dann verschieben sie sich gegeneinander, und eine Reibung entsteht. Hölzern greifen tanzende Puppen nacheinander, beziehungslos. Dann wieder Aufeinandertreffen, steife Umarmung, kurze Vereinigung, Abstoßen, Auffangen, Fallen, Halten. Wie Öl und Wasser.

Dann sind Körperstellen Magnete. Ziehen Arme unter Achselhöhlen, Unterarme an Hälse, die flache Hand an die Stirn des Partners, organisches und aggressives Pulsieren. Schließlich keuchende Umarmung, Stille.

Dann rollen Köpfe. Als seien sie Bälle, rollen sie über Arme, werden von Händen aufgefangen und am Haupthaar wieder hochgezogen. Und immer wieder Drehungen, in die Arme fallen, wegdriften, aufeinander zustreben, in der Drehung umarmen, wegstoßen, wegdriften... Die Wiederholungen sind monoton. Monoton wie ein allem übergeordneter äußerer Zwang, oder auch innererer Drang. Monoton, wie wenn zwei Körper sich lustvoll reiben oder monoton wie die Gefangenheit im Räderwerk des Alltags: monoton-quälend wie die Arbeit an einer Maschine.

Lust und Tragik schließen komische Momente nicht aus: Wenn sie ihn fallenläßt; wie er sie verfolgt, sie bespringt und wie ein Baby an ihrer Brust hängt; wie sie ihn nicht auffängt oder nicht hält und er langsam an ihr zu Boden rutscht. Wie sie auf Hackenschuhen stelzt, die seine Fäuste sind. Wie er sie vom Boden abhebt und sie hilflos strampelnd mit den Füßen nach Halt sucht.

Maschinenassoziationen, Fremdbestimmtheit auch im Solo: Sie im Lichtspot, von hinten zu sehen, kreist und hebelt Unterarme, Oberkörper und den fliegenden Zopf, bis alles zu einem Räderwerk verschwimmt, die Füße wie Saugschnecken am Boden.

Beatrice Jaccard und Peter Schelling fesseln die Blicke der ZuschauerInnen auch, weil ihr Tanz ein artistischer Kraftakt ist. Nach wenigen Minuten sind die maßgeschneiderten Tricots naßgeschwitzt, atemloses Keuchen bricht die Momente der Stille. Das Publikum dankte mit Bravorufen und Füßetrampeln.

Beate Ramm