Millionär kein Sozialarbeiter

■ Radio-Bremen-Moderator Kinzel sagte 4000-Mark-Engagement bei Daimler ab

Ein Nebenverdienst von 4.000 plus Spesen und Mehrwertsteuer winkte dem Radio Bremen Moderator Achim Kinzel am vergangenen Freitag — der „Künstler“ (s. Vertragsentwurf) Kinzel sollte von 9 bis 19 Uhr anstelle der Hansawelle bei der Verkaufsniederlassung von Daimler-Benz in der Emil-Sommer-Straße die Vorstellung der S-Klasse moderieren. Politiker mit Rang und Namen pflegen bei solchen Gelegengheiten wichtige Hände zu waschen, diesmal erwies auch Sparkassen-Vorstand, CDU- Spitzenkandidat und BMW-Fahrer Ulrich Nölle dem Mercedes- Händler seine Referenz.

Doch Kinzel war nicht dabei. Noch am 28.3. hatte er sich einen Vertragsentwurf von der Hannoveraner Agentur „Media Master i.G.“ schicken lassen. Am 7.4. erschien im 'Weser-Report– ein mit Unterstellungen durchsetzter Artikel über das Ehepaar Behr- Kinzel, in dem auch auf erhebliche Nebenverdienstquellen verwiesen wurde. Für die Daimler- Präsenation am 12.4. sagte Kienzel ab — ARD-Sportmoderator Zimmer verdiente sich die Gage, Kinzel ging „privat“ zur Geburtstagsparty des Daimler-Werksleiters Schreck.

Der „Engagementvertrag“ für den Daimler-Händler war im Bremer Sender per Indiskretion öffentlich geworden. Harald-Gerd Brandt, Verbandsgruppensprecher Hörfunk der IG-Medien: „Ebenso schädlich und schmierig wie die Artikel des 'Weser-Reports– ist der Umgang des Direktoriums von Radio Bremen mit Nebenverdienstverträgen beim Sender. Auch für den Ruf des Hauses. Denn in unserem Radio Bremen- Gesetz steht, daß wir frei von wirtschaftlichen Zwängen und Senderinteressen berichten sollen. Mir ist schleierhaft, wie wir das tun können, wenn wir unsere Arbeitskraft nicht nur an Radio Bremen, sondern in dermaßen großem Umfang auch an Bremer Industrie-Unternehmen verkaufen.“

Kinzels KollegInnen mutmaßen, daß Intendantin Karola Sommerey den Moderator den Nebenverdienst bei Mercedes ausgeredet hat. Sommerey erklärte jedoch gegenüber der taz: „Ich sehe keine Problematik in Nebentätigkeiten. Ich kriege die Anträge von Herrn Kinzel, die genehmige ich und dann tritt er draußen auf.“

Der CDU-nahe 'Weser-Report– setze am Wochenende seine Kampagne gegen CDU-Mitglied Kinzel fort, allerdings entgegen der Ankündigung nicht mit harten Tatsachen über die schlüpfrigen Saddam-Hussein-Unterstellungen betreffend Frau Kinzel. Keine „soziale Tat“ sei die Vermietung ihrer Schwachhauser Villa ans Sozialamt für Flüchtlinge, findet das Blatt in einem langen Text meldenswert, satte 11.700 Mark kassiere Frau Kinzel für die Wohnungen, in denen das Sozialamt 11 Ausländer untergebracht hat. In der Klatschkolumne des Blattes wird Kinzel derweil promotet wie in alten Zeiten vor der Kampagne, die Kinzels selbst als „Rufmord“ bezeichnen.

Die stolze Summe bekommt Kienzel aber nicht für die beiden Wohnungen, in denen derzeit schon die 11 Albaner leben. Der zuständige Leiter des Amtes für Wohnungshilfe, Gehlhaar, will die genaue Zahl aus grundsätzlichen Erwägungen nicht bestätigen. Der effektiv vom Sozialamt zu bezahlende Betrag, so Gehlhaar zur taz, setze sich zusammen aus der üblichen Kaltmiete, einem Zuschlag („sonst bekomme ich keine Wohnung für mein Klientel“) und anderen Nebenkosten bis hin zu eventuellen Sätzen für Hausmeistertätigkeit. In dem Kienzel-Haus hat das Sozialamt auch mehr als die beiden bislang an die albanischen Flüchtlinge vergebenen Wohnungen angemietet. Die von der Vermieterin kassierte Summe dürfte incl. Nebenkosten bei gut 10.000 Mark monatlich liegen. B.D./K.W.