Standbild: Kurzes Wackeln am Brandenburger Tor

■ "Wetten, daß...?", Samstag 20.15 Uhr, ZDF

Länger als fünf Minuten durfte sie nicht. Dann kam er, adrett gelockt wie eh und je. Die Programmoberen vom ZDF mögen erleichtert aufgeatmet haben. Der Samstagabend war gerettet. Keine unliebsamen Überraschungen mehr, Publikumsliebling Thomas Gottschalk katapultierte seine Kollegin Hella von Sinnen sanft vor die Tür und bat zum Bullenrennen: Wetten, daß...? er schneller sein Ziel erreicht als ein mit vier edlen Pferden bespannter Wagen? Nein, tat er nicht, trotz der kläffenden Schäferhündin Aline, die dem rasenden Bullen Beine machte.

Wie überhaupt die Männer und Männchen alt aussahen in dieser Sendung: ein Kunstradfahrer, der zehn Mülltonnen per Velo bespringen wollte, scheiterte ebenso wie der Klopapierakrobat. Bei dem Versuch, an einem aus Klopapier gedrehten Seil ein Fünfmeter-Sprungbrett zu erklimmen, fiel er jämmerlich ins Wasser zurück.

Ob Zufall oder Fügung, eindeutiger Sieger war ein bissiges Weibchen, eine luftballonzerbeißende Dackeldame, sechsundsechzig aufgeblasene Gummis brachte das agile kleine Tier zum Platzen.

Womit das Rennen Hella von Sinnen-Thomas Gottschalk schließlich entschieden ward.

Wer dem Auftritt der Kölner Stimmungsnudel Hella von Sinnen als Gottschalk-Ersatz entgegengefiebert hatte, wurde enttäuscht. So genau nimmt man's eben doch nicht bei Wetten, daß...?. Insofern wird wohl auch Schwimmchampion Michael Groß, der gegen den Klopapierkletterer verlor und nun mit den Bundestagsabgeordneten ein Fitneßtraining veranstalten will, mit einigen Hinterbänklern vorliebnehmen dürfen. Wenn schon das ZDF kneift, warum dann nicht unsere schwergewichtigen Politiker?

Gleichwohl nutzte die kölsche Hella ihre Chance und präsentierte sich der samstäglichen „Fernsehnation“ in einem ihrer phantastischsten Kostüme: als wackelndes Brandenburger Tor. Eine angemessene Verkleidung für den Veranstaltungsort, das ZDF hatte die Berliner Deutschlandhalle gemietet.

Das ehrwürdige Symbol am Leib der mächtigen Frau geriet ordentlich aus den Fugen, wenn sie sich bewegte. Das war ein Beben und Schwanken. Da wird mancher Hauptstadtfan sich wohl den Angstschweiß von der Stirn gewischt haben. Sollte die kesse Hella etwa... Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn der Auftritt länger gedauert hätte. Welcher Skandal! Hella von Sinnen bringt das Brandenburger Tor zu Fall.

Doch Göttin sei Dank, nichts dergleichen geschah. Alles blieb harmlos und nett beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Zum Schluß durfte sie noch einmal die Bühne betreten, gemeinsam mit sechs Bauchrednern. Während die Männer Luft abließen, grinste Hella frech aus ihren staatstragenden Säulen hervor. Oben aufs Gebälk hatte sie einen — fetten Teddy postiert. Heide Soltau