»Konzeptionelles Loch« im Osten

■ Die Fraktion AL/Bündnis 90/UFV ging am Wochenende in Klausur/ Deutsch-deutsches Kennenlernen und Schwerpunkte der künftigen Politik/ Müssen Forderungen unbedingt finanzierbar sein?

Berlin. Die gemeinsame Fraktion aus AL, Bündnis 90 und Unabhängigem Frauenverband (Bündnis 90/Grüne) im Abgeordnetenhaus hat ein »konzeptionelles Loch« im Ostteil der Stadt konstatiert und will versuchen, dieses so schnell wie möglich auszugleichen. Das ist eines der Ergebnissen einer Klausurtagung der Fraktion am Wochenende, zu der sich die zwölf Westler und sieben Ostler ins Schloß Wiepersdorf südlich von Berlin zurückgezogen hatten. Ziel der Klausur war es einerseits, die bisherige Oppositionsarbeit zu bilanzieren und die künftigen Schwerpunkte der politischen Arbeit festzulegen. Andererseits sollte die Tagung einem näheren Kennenlernen der Parlamentarier aus beiden Teilen der Stadt dienen. Übereinstimmung herrschte darüber, daß auch die Bürgerbewegungen aus dem Ostteil nur über wenige Kontakte zu den gesellschaftlichen Schichten verfügen, die derzeit besonders von materiellen und sozialen Problemen bedroht sind. Man will deswegen, so Wolfgang Wieland vom Fraktionsvorstand, Kontakte zu Betriebsräten und Gewerkschaftern knüpfen und versuchen, »mit ökonomischem Sachverstand« Gegenkonzepte zu denen der großen Koalition zu entwickeln.

Zu einem Disput kam es über die angespannte Finanzlage der Stadt. Hier sind sich auch die West-Abgeordneten nicht einig, inwieweit eigene Anträge im Parlament auf ihre Finanzierungschance abgeklopft werden sollen. Während die »Haushälter« Bernd Köppl und Michaele Schreyer dazu ermahnten, jeden Antrag darauf zu prüfen, wurde ihnen von anderen Teilen der Fraktion vorgeworfen, noch immer nicht den Abschied von der Regierungsbank vollzogen zu haben. Mehrheitsfähig ist in der Fraktion die Meinung, stärker Oppositionspartei zu sein und insofern auch »utopische« Vorschläge machen zu dürfen. Bis zu den Haushaltsberatungen im Parlament Anfang Mai soll eine »Globalalternative« zum Haushalt der CDU/SPD- Regierung erarbeitet werden. Hier soll neben der bekannten Forderung nach der Modifizierung des Berlin- Förderungsgesetzes auch gefordert werden, die notwendigen Umschichtungen im Haushalt nicht ausgerechnet in den Bereichen Bildung und Soziales vorzunehmen. Die Alternativen im Parlament wollen statt dessen eine Reduzierung der Polizei und der allgemeinen Verwaltung.

Als weiterer brisanter Punkt stand die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit der Ost-Parlamentarier auf der Tagesordnung. Im schwierigen Prozeß des Zusammenwachsens zu einer gemeinsamen Fraktion hatte es hier im Vorfeld mehrmals heftigen Streit gegeben — angeheizt durch die Tatsache, daß einige Ostler Mitglieder der SED oder der CDU gewesen waren. Sowohl von östlicher als auch von westlicher Seite wurde diese Auseinandersetzung als erhellend und »vertrauensstärkend« bezeichnet. Im Rahmen dieser Debatte kam auch das Thema Überprüfung im öffentlichen Dienst zur Sprache. Hier verständigte man sich auf die Position, grundsätzlich für eine Einzelfallprüfung zu plädieren. kd