Das Drama Travestie

■ Copi in den Mainzer Kammerspielen

Alles, was ein bißchen tuntig daherkommt, ein wenig die Frau im Mann demonstriert gehört zur Komödie, Burleske. Die Donna der Travestie ist ihr Mittelpunkt und duldet nichts neben sich. Sie ist der Entertainer, der das Publikum unter sich weiß. „Ach ha, ein Scherz“, trällert's. Und schön, schön, schön muß es sein. Copi macht ein Drama draus.

„Merde, j'explode“ ist der zentrale Satz der Loretta Strong alias Thomas Birk an den Mainzer Kammerspielen. „Scheiße, ich explodiere.“ Die Diva im Mann hat sich ins All geschossen. Die Erde explodiert. Der Planet der Affen ist seiner Freundin Linda auf den Fersen, die in ihrer Raumkapsel explodiert. Wie Loretta explodieren wird. Copi zerreißt die Travestieshow in tausend Fetzen. Das ist die Handlung.

Soweit ich sehe, geht Travestie hier erstmals ernsthaft zum Drama über. Es ist keine der Komödien in der die Tunte nur mitspielen darf, um die Lacherquote zu erhöhen. Copi treibt's mit der Groteske. Ein wenig wie Topor - schaukelnd zwischen Endzeit und Entertainment. Keine leichte Rolle für Thomas Birk. Mit Bravour schafft er sie nicht. Copi, das Original, hängt ihm im Nacken. Das Drama Copis war Copi selbst auf den Leib geschnitten.

Wo gelingt's Birk dennoch? Zu Beginn. Seinen Mantel hängt er akurat auf den Kleiderständer. Aus dem bürgerlichen Birk wird der Transsexuelle der Obsession: Er fesselt den Mantel am Ärmel und macht sich in der Einsamkeit des Alls daran, sich von Ratten vögeln zu lassen. (Ergo wird er Fledermäuse gebären.) Die imaginäre Linda, mit der er in ständigem Dialog bleibt, wird sich in einen Hundertmarkschein verwandeln und ihn vögeln. Geldvermehrung orgiastisch und zinslos. In Straps und Glamour gerät jedes Bühnenrequisit – vom Würstchen bis zum Kühlschrank — zum sexualaktiven Fetisch. Am Ende der Welt geht's ausschließlich um Vermehrung, die einem Transi obliegt.

Aber: Am Ende der Welt explodiert er, die Leere verströmt. Daran scheitert Birk. Er scheitert an Copis Drama dort, wo das Drama explodiert. Alles bereits Gesprochene taucht noch einmal auf, alles wiederholt sich in Variationen - zerstückelter, bruchteilhafter. Alle dagewesenen Scherzchen und Heuler promenieren noch einmal über die Bühne. Verkrüppelter nun - die Groteske geht am Stock. Die Inszenierung ignoriert das. Bruchlos macht Birk weiter, als wolle er mit heiler Haut das Happy End der Verklärung erreichen. Wie sagt man das: „Scheiße, ich explodiere.“ Was folgt daraus? Weitermachen, als sei's nur so gesagt? Wenn sich alles nur noch wiederholt, aber wie wiederholt!? Und man selbst ahnt, müder werdend, daß der Schauspieler hier hilflos fragen könnte: Kann man nicht kürzen?

Kann man nicht. Wenn das Drama explodiert, muß auch die Inszenierung explodieren. Muß auch der Schauspieler explodieren, sich selbst befruchten, indem sein Spiel aus den Fugen gerät. Doch bleibt's verklärend.

Copi war selbst eine wandelnde Obsession. Die Zerreißung des Dramas und der Eingeweide gingen bei ihm Hand in Hand. Das zu entdecken, ist das unzweifelhafte Verdienst der Kammerspiele. Der nur intellektuellen Feststellung, daß die Welt und der Sinn aus den Fugen geraten sind, setzt Copi die sexuelle Zerissenheit hinzu. Und läßt sie auf der Bühne ausagieren, als sei der Teufel im Leib. Und sei es in Person einer Ratte im Unterleib. Arnd Wesemann

Copi: Loretta Strong greift nach den Sternen. Regie: Klaus Merten. Kammerspiele Mainz. Weitere Vorstellungen: 18.-21., 25.-28. April