Bei der Clearingliste bleibt vieles unklar

■ Nach dem Bielecki-Besuch in Moskau fehlen konkrete Ergebnisse/ Devisenmangel der UdSSR sorgt für weitere Überraschungen

Warschau (taz) — Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Polen und der UdSSR bleiben kompliziert, und auch der Besuch des polnischen Premiers Bielecki in Moskau hat daran nichts ändern können. Zurückgekommen ist Bielecki nur mit der Zusage, die Barrieren im bilateralen Handel würden von Expertenkomissionen aus der Welt geschafft — konkrete Ergebnisse stehen aber einstweilen noch aus.

Praktisch wird der bilaterale Handel zur Zeit auf Clearingbasis abgewickelt, im wesentlichen eine geldlose gegenseitige Aufrechnung der Lieferungen. Polen hat einen Handelsbilanzüberschuß von umgerechnet 300 Millionen Dollar angehäuft, während das Handelsvolumen insgesamt permanent zurückgeht. Aus Devisenmangel kann die Sowjetunion zur Zeit nur Tauschgeschäfte abwickeln, möchte aber strategische Rohstoffe wie Erdöl aus dem Clearing heraushalten, weil das „für sie eine Art harte Währung“ sei, wie eine polnische Zeitung schrieb. Für Polen besteht indessen die einzige Garantie, diese Rohstoffe auch zu erhalten, in deren Aufnahme in die Clearinglisten.

Da in der Sowjetunion nicht nur staatliche Devisenbewirtschaftung, sondern in den Betrieben auch akuter Devisenmangel herrscht, wurden diese Listen erstellt, um die wichtigsten Güter zu berücksichtigen. Die sowjetische Seite garantierte für den aufgeführten Produktbedarf die Bereitstellung von Devisen, so daß polnische Exporteure auch die Sicherheit haben, daß ihre Abnehmer zahlungsfähig sind. Inzwischen hat sich aber polnischen Pressemeldungen zufolge herausgestellt, daß die sowjetische Seite nicht einmal in der Lage ist, Devisen für alle Positionen bereitzustellen. Ergebnis: Neuverhandlungen werden notwendig.

Dies dürfte ein weiterer schwerer Schlag für jene polnischen Betriebe sein, die sich nach wie vor auf den Osthandel spezialisiert haben. Sie können schon jetzt einen Großteil ihrer Exporte nur außerhalb der Listen abwickeln. Da es jedoch zwischen den bisherigen RGW-Ländern keinerlei staatliche Exportgarantien gibt, sind solche Transaktionen sehr riskant. Zahlt der sowjetische Abnehmer wegen Devisenmangels nicht, springt in einem solchen Fall weder die polnische noch die sowjetische Regierung ein. Vor der Umstellung auf Dollarverrechnung war die UdSSR der zweitgrößte Handelspartner Polens. Hinzu kommt, daß die UdSSR Schutzzölle gegen Devisenabflüsse eingeführt hat. So werden Zigaretten mit 1.000 Prozent, Alkohol mit 500 Prozent Zoll belegt.

Im Rahmen der Listen von 1990 hatte sich die Sowjetunion verpflichtet, in diesem Jahr 4,5 Millionen Tonnen Öl, 7,5 Millionen Kubikmeter Erdgas sowie Rohstoffe für insgesamt 110 Millionen Dollar zu liefern. Importiert werden sollten dagegen drei Millionen Tonnen Kohle, 1,5 Millionen Tonnen Koks, 800.000 Tonnen Schwefel und Medikamente für 350 Millionen sowie Maschinen für 550 Millionen Dollar. Eine Reduzierung der Listen wäre auch mit reduzierten Rohstofflieferungen verbunden, von denen Polen abhängig ist. Die Preissteigerungen der Erdgaslieferungen aus der UdSSR aufgrund des Rubel-Dollar-Kurses haben bereits Polens anlaufender Privatisierung einen schweren Schlag versetzt. Presseberichten zufolge steht die Glashütte Krosno, deren Hauptenergieträger schlagartig teurer geworden ist, vor Massenentlassungen. Krosno war letztes Jahr noch als einer der lukrativsten Betriebe Polens zur Privatisierung freigegeben worden. Klaus Bachmann