„Kieselrot“ vergiftet Bremer Plätze

■ Mysteriöse Dioxinfunde auf Bremer Spielplätzen geklärt / Ganzes Ausmaß unüberschaubar

Der Platz elf am Weserstadion wird ab sofort gesperrt, vier weitere Sportplätze teilweise. Die SchülerInnen an neun Bremer Schulen werden im Sportunterricht auf die schuleigenen Lauf- und Sprunganlagen verzichten müssen. Zu den bereits gesperrten drei Kinderspielplätzen werden noch einmal vier Plätze geschlossen. Wenigstens 13 weitere Flächen müssen gemessen und höchstwahrscheinlich saniert werden: 120.000 Quadratmeter in Bremen sind aller Wahrscheinlichkeit nach hochgradig mit den extrem giftigen Dioxinen und Furanen belastet.

Mit dieser alarmierenden Erkenntnis ging gestern das Umweltressort an die Öffentlichkeit. Ursache für die großflächige Vergiftung der Böden auf Kinderspielplätzen und Sportanlagen ist eine Schlacke namens „Kupferrot.“ In der Schlacke wurden Dioxinwerte von 50.000 bis 100.000 Nanogramm Toxizitätsäquivalent gemessen. Damit liegen die Werte bis um das Hundertfache über den vom Bundesumweltamt empfohlenen Grenzwerten.

Etwa 5.000 Tonnen „Kieselrot“ wurden nach Recherchen der Umweltbehörde von 1950 bis 1970 in Bremen als Grundmaterial verwandt, um Sportplätze, Spielflächen und Wege anzulegen. Da dies höchstens fünf Promille der vermarkteten Menge sind, hat Umweltsenatorin Eva- Maria Lemke-Schulte in einem Brief an alle ihre KollegInnen in Bund und Ländern vor der Schlacke gewarnt.

Nach Recherchen der Umweltbehörde entstand die Giftschlacke in den Jahren 1938 bis 1945 im „Hermann-Göring-Werk“ im hessischen Marsberg, als das Kupfererz unter den Bedingungen des Krieges aus dem Gestein gewonnen wurde (vgl. ausführlich Seite 4). Obwohl in einem Betriebsbericht aus dieser Zeit, der der Stadtverwaltung Marsberg vorlag, in aller Deutlichkeit die hohe Giftigkeit dieses Verfahrens beschrieben wird, konnte eine Tiefbaufirma die Schlacke jahrzehntelang bundesweit vertreiben.

Bremens Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte hat jetzt Bundesumweltminister Klaus Töpfer „wegen der Dramatik der Meßwerte“ um Mithilfe gebeten und gefordert, daß die „Dioxin AG“ des Bundes und der Länder sich umgehend mit der Kupferschlacke befaßt.

Auf die „Kieselrot“-Spur war das Umweltressort gekommen, als es nach Gründen für die Kontaminierung einiger stichprobenartig untersuchter Spielplätze suchte. Nachdem ein Eintrag durch die Luft als Ursache ausgeschieden war, hatte eine Arbeitsgruppe genauer untersucht, welche Materialien bei der Anlage der Plätze verwandt worden waren. Eine „angemessene“ Darstellung möglicher Gesundheitsgefährdungen will die Senatorin für Gesundheit noch nachliefern. hbk