Die Rückkehr des rassistischen Sohnes

■ Südafrika wird voraussichtlich an der kommenden Olympiade in Barcelona teilnehmen dürfen, wenn Präsident Frederic W. de Klerk endlich alle rassentrennenden Gesetze abschafft

Barcelona (dpa) — Das olympische Comeback Südafrikas 1992 bei den Sommerspielen in Barcelona, möglicherweise sogar schon bei den Winterspielen in Albertville, wird immer wahrscheinlicher. „Ich bin sehr optimistisch, daß Südafrika die Bedingungen für eine Wiederaufnahme in die Olympische Familie bis zum 25.Juli erfüllen wird“, erklärte Richter Keba Mbaye (Senegal) am Montag in Barcelona. Der Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hatte bei der Reise einer IOC-Delegation vom 22. bis 28.März durch Südafrika fünf Bedingungen ausgehandelt, die am Montag vom IOC-Exekutivkomitee bestätigt wurden.

Das IOC-Führungsgremium kündigte zugleich an, das vorläufige nichtrassische Nationale Olympische Komitee Südafrikas (INOCSA) mit den Sportarten, die sich zu einem nationalen Verband zusammengeschlossen haben und Mitglied einer Internationalen Föderation sind, für die Olympischen Spiele 1992 einzuladen, wenn „alle rassentrennenden Gesetze abgeschafft sind“. Mbaye betonte dazu, daß Südafrikas Staatspräsident Frederic W. de Klerk ihm versichert habe, bis Ende Juni sei die Verfassung so geändert, daß alle Apartheidgesetze abgeschafft sind. Auch habe er, wie die Sportführer des Landes mit INOCSA-Präsident Sam Ramsamy an der Spitze, die IOC-Bedingungen anerkannt.

Das INOCSA wurde für Juli nach Lausanne eingeladen, über die Fortschritte bei der Erfüllung der Bedingungen zu berichten: Abschaffung der Apartheid; Übereinstimmung von INOCSA mit der Olymmpischen Charta; Entwicklung von einem provisorischen zu einem endgültigen Nationalen Olympischen Komitee (NOK); Schaffung von gemischtrassigen Verbänden; Normalisierung der Beziehungen zwischen INOCSA und den Sportorganisationen Afrikas. Südafrika, das wegen der Rassentrennungspolitik der Regierung in Pretoria seit 1964 nicht mehr an Olympischen Spielen teilnehmen durfte und dessen Nationales Olympischen Komitee (NOK) 1970 vom IOC ausgeschlossen worden war, war zur Erfüllung dieser Voraussetzungen eine Frist von 180 Tagen eingeräumt worden.

„Wir ermutigen auch die vereinten, nichtrassischen Sportverbände des Landes, die Beziehungen zu den internationalen Fachverbänden zu normalisieren“, sagte Mbaye in Barcelona. Eine Einladung Südafrikas am 25. Juli, ein Jahr vor der Eröffnung, zu den Sommerspielen in der katalonischen Hauptstadt hängt auch davon ab, daß mindestens fünf nationale Verbände Mitglied einer Internationalen Föderation (IF) sind. In der Frage einer Teilnahme Südafrikas an den Winterspielen im Februar 1992, für die der offizielle Einladungstermin bereits verstrichen ist, will sich das IOC nach den Worten Mbayes „nicht von den Regeln einengen lassen“. Falls Südafrika die Bedingungen erfülle, sei eine nachträgliche Einladung nach Albertville noch möglich.

Ob Südafrika möglicherweise noch vor den Olympischen Spielen in einigen Sportarten, etwa bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft im August in Tokio, zu internationalen Titelkämpfen zurückkehrt, hängt nun von den Fachverbänden ab. „Ich glaube nicht, daß diese Südafrika vor dem IOC zulassen können“, meinte dazu IOC-Vize-Präsident Kevin Gosper (Australien). Er erwartet wie Mbaye, daß die Welt-Fachverbände dieselben Bedingungen an Südafrika stellen wie das IOC.

Aufschluß über die Haltung der Verbände ist schon in Barcelona zu erwarten. Hier tagten am Dienstag die Internationalen Sommersportverbände (ASOIF). Aus Kreisen des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) war aber schon zu hören, daß IAAF-Präsident Primo Nebiolo die Teilnahme Südafrikas an der WM in Japan mit allen Mitteln anstrebt.

Die IOC-Exekutive beschloß im übrigen auch, die Entwicklung des Sports in Südafrika durch die Olympische Solidarität zu unterstützen. Eine IOC-Delegation reist zu vorbereitenden Gesprächen im Mai nach Südafrika. Außerdem sollen zwei Millionen Dollar beispielsweise für Trainingsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Hans-Hermann Mädler