Guter alter Clinch

■ Zum Parteienstreit über die gemeinsame Kommission

Guter alter Clinch Zum Parteienstreit über die gemeinsame Kommission

In Bonn bleiben die etablierten Verhaltensmuster intakt. Auf die parteikämpferischen Reflexe ist auch nach der Vereinbarung gemeinsamer Gesprächsrunden zwischen Regierung und Opposition Verlaß.

Gesucht wird derzeit nicht nach konsensfähigen Ansätzen zur Krisenbewältigung in den neuen Ländern, gekämpft wird vielmehr ums Definitionsmonopol für die vereinbarten Kommissionen: Noch bevor sie ihre Arbeit aufgenommen haben, redet die Union ihre Bedeutung schon gegen Null und verkauft das ungewöhnliche Unterfangen lediglich als großmütige Informationsveranstaltung für die Opposition. Dabei entspricht die Schärfe, mit der sie die SPD im Vorfeld der Gespräche jetzt attackiert, der Orientierungslosigkeit, mit der die Union auf den wachsenden Problemdruck im Osten reagiert.

Noch glaubt die Union verbergen zu können, was sich hinter dem Kooperationsangebot an die SPD verbirgt: das Eingeständnis einer überforderten, konzeptionslosen Regierung, die, jetzt allzu spät, die Opposition in die Verantwortung einzubinden sucht. Es bedarf schon eines Terriers vom Schlage eines Friedrich Bohl, um das Hilfeersuchen des Kanzlers jetzt als Versuch der SPD umzudeuten, sie wolle ja nur auf den fahrenden Zug aufspringen, an dessen Erfolgskurs ernstlich nicht zu zweifeln sei. Dabei muß sich Bohl zwangsläufig verheddern, wenn er jetzt die SPD-Forderungen wieder einmal mit dem abgegriffenen Klischee „sozialistischer Ladenhüter“ belegt, obwohl sich doch mittlerweile nicht mehr verbergen läßt, daß bei der Abfederung der Krise das marktwirtschaftliche Reinheitsgebot der Regierung nur noch im verbalen Schlagabtausch eine Rolle spielt: Sanierungsauftrag an die Treuhand, Strukturpolitik, Beschäftigungsgesellschaften... Alles „SPD-Ladenhüter“, auf die die Regierung dankbar zurückgreift, um die Enttäuschung im Osten in kontrollierten Bahnen zu halten.

Die Offensive, mit der die Union jetzt die angestrebte Kooperation flankiert, scheint all denen in der SPD Recht zu geben, die die vereinbarten Kommissionen ohnehin nur als Versuch der Regierung werten, ihre Verantwortung für die dramatische Situation im Osten zu verschleiern. Bestätigt fühlen sich schon vor der ersten Gesprächsrunde diejenigen, die der Opposition empfehlen, ruhig in der Kritikerposition abzuwarten, bis sich die Regierung unter dem wachsenden Problemdruck zerrieben hat.

Auch wenn die Sozialdemokraten jetzt mit Recht empört auf die Ausfälle Bohls reagieren — in der Polemik werden die Ähnlichkeiten zwischen Regierung und Opposition offenbar: Noch immer wird die gemeinsame Anstrengung für die neuen Länder von parteitaktischen Profilierungsversuchen unterminiert. Die Betroffenen im Osten werden das auf ihre Weise zu interpretieren haben. Keine allzu gewagte Prognose, daß den Bonner Strategen die Freude an ihren eingespielten Ritualen schon noch vergehen wird.

Matthias Geis