Polen: Selbst die Spirale soll verboten werden

Bei Konsultation in Polen sprach sich die Mehrheit für eine Verschärfung des Abtreibungsverbots aus  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Der Streit um die Verschärfung der Abtreibungsgesetzgebung ist in Polen in eine neue Phase getreten. Der Sejm hat nun die Ergebnisse der Konsultation bekanntgegeben, deren Durchführung vor einigen Monaten beschlossen worden war. Sie brachte eine überwältigende Mehrheit für eine Verschärfung der bisherigen Gesetzgebung. Die Konsultation ist jedoch nicht repräsentativ, obwohl sie mit insgesamt 1,7 Millionen Teilnehmern mehr Beteiligung ausweist als jede Meinungsumfrage bisher. Im ganzen 89 Prozent sprachen sich für eine Verschärfung im Sinne der Gesetzesinitiative des Senats aus, 11 Prozent waren dagegen. Das Senatsprojekt, das zur Zeit in einer Sejmkommission behandelt wird, sieht Gefängnisstrafen von zwei Jahren für alle vor, die sich an einer Abtreibung beteiligen, sie durchführen oder anregen, mit Ausnahme der betreffenden Frau. Mit dem Gesetzentwurf wird dazu der juristische Beginn menschlichen Lebens von der Geburt auf die Zeugung vorverlegt. Da dem Entwurf zufolge jeder Eingriff mit negativen Folgen nach der Zeugung als Abtreibung verboten wird, würde eine Annahme des Projekts durch das Parlament auch einem Verbot bestimmter Verhütungsmittel wie Spiralen gleichkommen.

Der Gesetzentwurf des Senats ist daher in Polen überaus umstritten. Während Frauengruppen und die parlamentarische Linke dagegen Sturm laufen, organisieren katholische Gruppen, Konservative und Pfarreien im ganzen Land Unterstützungsaktionen für ein generelles Abtreibungsverbot. Im Rahmen der Parlamentskonsultation wurden so von Lebensschützerinitiativen, Pfarrern und Religionslehrern Unterschriften in Kirchen, während der Messen, in Schulen während des Religionsunterrichts und bei Straßenaktionen gesammelt. Daher kommt es, daß nur ganze fünf Prozent der eingesandten Stellungnahmen individuelle Briefe sind, der Rest sind Sammelbriefe, häufig auf Vordrucken. Doch auch unter den Individualbriefen liegen die Gegner einer Verschärfung der Gesetzgebung hinten. Zu den eifrigsten Befürwortern des Senatsprojekts gehört das flache Land und Polens Kleinstädte sowie Posen (Poznan), Danzig (Gdansk), Gdingen (Gdynia) und Zopot (Sopot). Am kritischsten zu der Verschärfung eingestellt ist Lodz, dort überwiegen sogar im Gegensatz zu allen übrigen Städten die Gegner der Verschärfung. Lodz ist zugleich die Stadt mit der höchsten Rate berufstätiger (und arbeitsloser) Frauen. Insgesamt unterscheidet sich die Haltung der Frauen nicht wesentlich von der aller Konsultationsteilnehmer.

Die Zahlen der Konsultation weichen wesentlich von den Ergebnissen entsprechender repräsentativer Meinungsumfragen ab. Danach sind 60 Prozent der Bevölkerung gegen eine Verschärfung, nur 30 dafür. Ähnliche Ergebnisse (88 gegen eine Verschärfung, 12 Prozent dafür) brachte eine Umfrage der Solidarność-Abgeordneten Barbara Labuda (früher Gewerkschaftssprecherin, heute Mitglied der Demokratischen Union Mazowieckis) in Wroclaw (Breslau). Aus Kreisen der Gegner des Senatsentwurfs ist inzwischen auch ein Gegenprojekt erarbeitet worden, das eine Abtreibung von einer vorherigen Beratung abhängig macht und sie in diesem Fall erlaubt. Orientiert ist dieser Entwurf an der westdeutschen Praxis. In der zuständigen Sejmkommission wird inzwischen darüber gestritten, in welchen Härtefällen eine Abtreibung zugelassen werden soll. Die Lebensschützerfraktion, die sich vor allem aus der rechten „Katholisch-Nationalen Vereinigung“ rekrutiert, plädiert dabei für ein Abtreibungsverbot auch bei Vergewaltigung. Von einer Strafe dürfe ein Gericht nur absehen, wenn der Tod ungeborenen Lebens die unbeabsichtigte Folge eines Eingriffs zur Rettung des Lebens der Mutter sei. Auch eine Frau, die selbst zum Tod ihres Fötus beiträgt, soll demnach bestraft werden.