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INTERVIEW„Wir können ja nicht für jeden Polen eine Hundertschaft bereit halten„

■ Der Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder, Wolfgang Denda (SPD), versteht den Ärger seines Gorzower Amtskollegen über Angriffe auf polnische Bürger nicht

taz: Herr Denda, der Bürgermeister Ihrer polnischen Partnerstadt Gorzow (Landsberg) will nach dem Überfall rechtsradikaler Frankfurter Jugendlicher auf einen Bus aus Gorzow die offiziellen Kontakte mit Ihrer Stadt vorerst abbrechen. Können Sie den Schritt Ihres polnischen Amtskollegen verstehen?

Denda: Nö, dieser Schritt geht meiner Ansicht nach genau in die verkehrte Richtung. Hier wird etwas hochgeputscht, was man im gegenseitigen Interesse anders regeln könnte. Die Stadt kann ja nur sehr wenig dafür, wenn sich hier ein paar Randalierer austoben. Daß das nun der Stadt angelastet wird, finde ich nicht gut. Der Gorzower Bürgermeister verschärft mit seinen Äußerungen noch die gegenseitigen Aversionen.

Wäre es nicht umgekehrt Ihre Sache gewesen, auf die Partnerstadt zuzugehen und sich öffentlich für die Angriffe zu entschuldigen?

Aber ich bitte Sie, mein direkter Amtskollege sitzt hier jenseits der Oder in Slubice, und mit dem habe ich natürlich darüber gesprochen. Bei dem habe ich mich entschuldigt, daß wir solche Randale nicht verhindern konnten und habe ihn gebeten, zur Kenntnis zu nehmen, daß solche Angriffe nicht die Meinung der Frankfurter Bürger sind. Das war nur eine kleine Randalierergruppe, die meiner Ansicht nach noch nicht einmal politische Ziele verfolgt hat, denn diesen Leuten traue ich gar keine politische Einstellung zu. Die haben einfach die Gelegenheit ergriffen, um sich mal richtig zu produzieren.

Gorzow will die offiziellen Kontakte zu Frankfurt solange unterbrechen, wie die Stadt nicht für die Sicherheit der polnischen Bürger garantieren kann. Was haben Sie denn nach den Angriffen an der Grenze getan, um für Sicherheit zu sorgen?

Ich bitte Sie, haben Sie sich Ihre Frage eigentlich richtig überlegt?

Ja, sehr genau.

Für den Schutz der Bürger ist die Polizei da, und die untersteht nicht mir sondern dem Land. Wir haben als Stadtverwaltung natürlich engen Kontakt zur Polizei und wir sind uns auch einig in der Vorgehensweise. Aber wir können ja nicht ständig ein paar Hundertschaften bereit halten, damit jeder einzelne Pole, der rüberkommt, auch wirklich beschützt werden kann. Wenn ich nach Gorzow fahre, gehe ich doch auch ein gewisses Risiko ein.

Montag nacht ist bei Frankfurt erneut ein polnisches Auto angegriffen worden ...

... ach wissen Sie, das ist einfache Kriminalität. Das sind Polen gewesen, die auf einer Raststätte übernachtet haben und na ja, denen ist das Geld abgenommen worden. Das kann einem Deutschen oder Holländer genauso passieren, der dort übernachtet. Das hat nüscht mit dem deutsch-polnischen Verhältnis zu tun.

Sie sehen also kein Problem im Verhältnis zwischen Deutschen und Polen?

Jedenfalls kein offenes. Natürlich werden nicht alle Frankfurter Bürger damit einverstanden sein, daß Polen nun ungehindert rüberkommen können. Aber diejenigen, die das nicht gutheißen, sind noch lange keine militanten Gegner. Das beruht ja doch auf den relativ schlechten Erfahrungen, die wir mit der Grenzöffnung in den Jahren 72-79 gemacht haben. Und ich muß ganz ehrlich sagen, wir waren alle recht froh, als die Grenze damals geschlossen wurde.

Und jetzt? Wie würden Sie heute das Verhältnis zu Ihren polnischen Nachbarn charakterisieren?

Die Bevölkerungen gehen locker aufeinander zu. Was mich ganz besonders gefreut hat, ist, daß dieser Ansturm, den alle befürchtet haben, absolut ausgeblieben ist. Diese offene Grenze bewegt die Frankfurter überhaupt nicht.

Was ist mit den Angreifern des Gorzower Busses passiert?

Na ja, was passiert mit solchen Dingen. Die Leute werden festgesetzt, Personalien aufgenommen und dann werden sie wieder laufengelassen, denn der Haftrichter sagt, wegen solch unbedeutender Delikte werden wir keine Haft anordnen. Interview: Vera Gaserow

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