Zweiter Anlauf: Müllawine im Bundesrat

■ Die Länder debattieren die Verpackungsverordnung/ Rot-grün-schwarze „Schicksalsgemeinschaft“?

Beschwören möchte es keiner der Kontrahenten. Aber wenn morgen der Bunderat in Bonn seinen zweiten Anlauf zur Verabschiedung der umkämpften Verpackungsverordnung nimmt, stehen die Chancen für eine „mehrheitsfähige Entscheidung“ wohl besser als beim letzten Mal.

Klaus Töpfer gab gestern die in ungezählten Bund-Länder-Runden ausgehandelte Kompromißlinie vor. Danach wird das Regelwerk, das Verpackungsindustrie und Handel grundsätzlich auf die Rücknahme ihrer Produkte verpflichten soll, zunächst in etwa der Form verabschiedet, wie sie im Hause des Ministers ausgeheckt wurde — garniert mit der Festlegung, daß der „stofflichen Verwertung“ des Wohlstandsmülls künftig Vorrang zukommt vor der Verbrennung. Alle anderen Streitpunkte — die Frage einer einheitlichen oder gesplitteten Mehrwegquote, die der Kennzeichnungspflicht für Kunststoffverpackungen, das PVC-Verbot und die Ächtung nicht verwertbarer Kunststoffverpackungen — werden vertagt. Im Gegenzug verpflichtet sich Töpfer, entsprechende Entschließungsanträge der Länder zur umgehenden Änderung der gerade erst verabschiedeten Verordnung wohlwollend zu prüfen. Was zunächst als blödsinnige Komplizierung des Verfahrens erscheint, gewinnt seine Logik aus dem Blick der Bonner Umweltzentrale nach Brüssel. O-Ton Töpfer: „Alle wünschbaren Regelungen, die derzeit zu Konflikten mit der EG und damit zu zeitlichen Verzögerungen führen müssen, werden später nachgeholt.“ Mit anderen Worten: Der Umweltminister will das „Notifizierungsverfahren“ auf EG-Ebene möglichst kurzhalten und Einsprüche der EG-Partner vermeiden. Seine Sorge bezieht sich beispielsweise auf die von Bayerns Gauweiler (CSU) vorgeschlagenen Einzelquoten für unterschiedliche Mehrwegflaschen. Sollte nämlich etwa bei Fruchtsaftgetränken die festgelegte Mehrwegquote unterschritten werden, müßte ein Pfand auf alle Fruchtsaft-Einwegflaschen erhoben werden — ein möglicher Grund für die EG, sogenannte „Handelshemmnisse“ anzumahnen, weil die Konsumenten zum Beispiel auf flaschenpfandfreies Bier umsteigen könnten. Diese Gefahr sei gebannt, so Töpfer, wenn nur eine Quote für alle Getränke gelte.

Der gewundene Gedankengang erschließt sich nicht allen Ländern. Gauweilers Sprachrohr Günter Gauß etwa meint dazu nur: „Auf dem Ohr EG hören wir immer etwas schlecht.“ Die „Durchsetzungsbereitschaft“ des Münchner Oberökologen in Sachen Mehrwegquoten sei ungebrochen. Auch im Umweltministerium des rot-grün regierten Niedersachsens hält man das EG-Argument für falsch. Statt vorauseilenden Gehorsam zu zeigen, gehe es gerade darum, eine weitreichende Verordnung „möglichst weit auf den Weg zu bringen, bevor die EG über eine eigene entschieden hat“, sagt Stefanie Nöthel, Juristin im Abfallreferat von Umweltministerin Griefahn. Das Argument gewinnt an Aktualität, weil auch in Brüssel ein Richtlinien- Entwurf just in diesen Tagen zur Debatte steht. Sie habe ihre Zweifel, ob die Bundesregierung mit der in dem Bund-Länder-Kompromiß vorgeschlagenen Nachbesserung der Verordnung schnell genug in Gang komme, meint Nöthel. Am Ende könne die EG schneller sein und eine Verschärfung der zahmen deutschen Verordnung an EG-Recht scheitern.

Wie sich die Mehrheiten im Bundesrat morgen finden, wird auch noch davon abhängen, wie die Umweltminister der Länder heute das verzwickte Thema debattieren. Das CSU-regierte Bayern und das rot- grüne Niedersachsen könnten sich in einer denkwürdigen Ablehnungsfront wiederfinden. Gauweiler- Sprecher Gauß: „Eine solche Schicksalsgemeinschaft würde uns nachdenklich stimmen.“ Gerd Rosenkranz