Dizzy Gillespie

■ Dieser Mann hat niemals mit Papierbällchen nach Cab Calloway geworfen

»Warum ist die Trompete krumm?« Auf diese Bananenfrage gibt es auch bei Dizzy's nach oben gebogener Trompete keine schlüssige Antwort. In dem Film »A Night In Havanna« erzählt Gillespie, angeblich hätte ihm jemand 1.000 Dollar bezahlt, um sein Messinginstrument zu verbiegen. Anderswo heißt es, das Komiker-Duo Stump & Stumpy hätten (versehentlich oder absichtlich?) sein Horn demoliert, und in »Downbeat« behauptet der 14fache Ehrendoktor in seiner humorigen Art: »So kann ich schneller hören«.

Seine Autobiografie »To Be Or Not To Bop« ist faktishc auch nicht immer ganz ernst zu nehmen. Gillespie, Jahrgang 1917, fing in Big Bands an zu spielen, kam bereits 1937 nach Europa, fing im Sommer 1939 bei Cab Calloway ohne Proben und ohne nach der Bezahlung zu fragen an. 75 Plattentitel und zwei Jahre später verließ er Calloway nach einem Mißverständnis, das seinen Höhepunkt fand, als Dizzy seinen Orchesterchef mit dem Messer in die Hüfte stach — nicht, weil Cab Dizzy's Trompetensoli als »Chinesenmusik« bezeichnet hatte, sondern weil ein anderer Musiker Papierbällchen auf Calloway geschossen hatte und dieser Dizzy beschuldigte.

Dieser Zwischenfall war nicht unbedingt die Geburtsstunde des Bebop. Dizzy formierte erst einmal eine eigene Big Band und im Laufe der 40er Jahre traf er nach seinen regulären Engagements zu nächtlicher Stunde — daher »Round Midnight« — in den Clubs zwischen Harlem und der 52end Street in Manhattan junge, kreative Musiker wie Thelonius Monk und Charlie Parker. Hier entstand im Kollektiv der Bebop, diese bluesigen Harmonien mit abgehackten Melodiestücken in halsbrecherischen Tempi.

»Das Wort Bebop selbst hat«, so Jürgen Wölfer, Autor einer deutschsprachigen Gillespie-Biografie, »keine Bedeutung, es ist eine lautmalerische Umschreibung der Spielweise. Der Bebop ist der erste moderne Jazzstil. Er ist die Gegenreaktion junger schwarzer Musiker auf den Ende der 30er Jahre schon sehr kommerzialisierten Swing, der nur noch wenig Freiraum für individuelle Spielweisen ließ.«

Jack Kerouac in »On The Road«: »Zu jener Zeit, 1947, stand ganz Amerika wie wahnsinnig auf Bebop. Ich saß da und lauschte den Tönen der Nacht, deren Inbegriff Bebop für uns alle geworden war.« Einige Seiten weiter beschreibt Kerouac, der »Gillespie und ausgesucht dufte Bebop-Platten spielte«, den Alptraum aller Schellackplattensammler: »Es war eine frühe Dizzy Gillespie-Platte da, die er schätzte, 'Congo Blues‘. Ich hatte sie früher mal Janet gegeben, und als sie weinte, schlug ich ihr vor, sie solle sie nehmen und auf seinem Kopf kaputtschlagen.« Kein Wunder, daß alte Scheiben heute so selten sind...

Wichtiger noch als die »Erfindung« des Bebop ist Dizzy's Einführung afro-kubanischer Rhythmen in den Bebop und damit die westliche Kultur schon den 40er Jahren, als es Schlagwörter wie »Weltmusik« und »multikulturell« nocht nicht gab. Gillespie, mit französischem Beret, schwarzer Hornbrille und Spitzbart, wurde zur Kultfigur. Er schuf neue Konzepte in Rhythmus, Harmonie und Melodie, verpackt mit Humor wie seine Vorbilder Louis Armstrong und Fats Waller. »Als seine Musik neu war, präsentierte er sie in einer Art, die die Leute akzeptieren konnten«, stellte Lester Bowie fest.

Zum Schluß noch ein schönes Zitat des Schlagzeugers Max Roach, mit dem Gillespie eine Duo-Platte einspielte: »Dizzy ist ein Fuchs. Seine musikalische Integrität wird er nie opfern. Es sieht immer so aus, als ob Dizzy die liberalste Person auf der Welt wäre, aber wenn du seiner Musik wirklich zuhörst, dann hörst du, wie er schreit. Es ist schwarze Musik. Allein die Tatsache, daß er vor einer Big Band tanzt anstatt zu dirigieren, allein das ist schwarz. Er ist schwärzer als schwarz.« Text + Foto: G.Hessig

Um 22 Uhr im Quasimodo