Paradise Lost, Assorted Heap und Death Power

■ Ein sonniges Paradies, Sondertarif für Schnellentschlossene

»Im Prinzip handeln Hardcore und Deat Metal-Texte von den gleichen Dingen, zum Beispiel von Todesangst. Nur daß Hardcore den Tod mit zum Beispiel Atombomben in Verbindung bringt, während Death Metal ihn auf die allgemeine Angst bezieht, seine Sinne nicht mehr zu haben, die Kontrolle zu verlieren, vom Bösen — was immer das sein mag — überwältigt zu werden. Natürlich bleibt da etwas wie eine Faszination, weil man ja das beschreibt, um davon loszukommen, aber grundsätzlich gilt, daß beide Sorten Texte von Angst handeln, von der ganz realen Angst, die die Leute haben. Allenfalls handelt Death Metal von diesen Dingen, um die Leute zu schockieren, aber doch nicht davon, sie zu glorifizieren.«(Hammy in 'Spex‘)

Peaceville's Parade. Hammy (Creator und Mastermind) sendet uns die neueste Dosis Tod! Eine Metallerhorde Elfen und Chimären namens Paradise Lost aus Englands blühenden Gärten, einer Stadt namens Halifax, frisch radioaktiv verseucht, nur für dich! Eine ganze Horde dieser Pferde hat Hammy in seinem Stall namens Peaceville bereit, darunter Gruppen mit Namen wie Electro Hippies, Confessor, Autopsy oder schlicht Doom. Eine Gemeinsamkeit haben sie alle: nicht mit Überschallgeschwindigkeit vorbeizurauschen wie es die Bands auf Dig's Label Earache in Nottingham zu tun pflegen — die bekanntesten sind wohl Napalm Death, Bolt Thrower und Morbid Angel. Hammy zieht den Sound vor, der klingt nach In-der- Erde-wühlen, nach Mit-den-Händen-Dreck- und-Steine-herausholen. Hält man ihnen Schaufel oder Rechen hin, werden sie mit einer Hand die Mähne aus dem Gesicht nach hinten werfen und verächtlich zur Seite spucken. Mit solche modernem Kram haben wir nichts zu tun! Aber auch den Begriff »primitiv« kann man hier nicht nennen, ich müßte Copyright an die Cramps zahlen, nein.

Paradies Lost's Debut-LP »Lost Paradise« kam vor zwei Jahren heraus, war gar nicht übel, aber rechtzeitig zur Tour erscheint nun der Nachfolger und nennt sich »Gothic«. Aus gutem Grund. Die Band annoncierte nämlich anonym in der englischen Musikzeitschrift ‘Sounds' mit dem Text: »Suchen weibliche Operettenstimme für obskures Bandprojekt.« Das Resultat ist auf »Gothic« zu hören und unglaublich schön. Wo nämlich ein Hund mit rotglühenden Augen aus der Hölle voller Heimweh grunzt: »Obsessed to leave the earth, tragedy has overlocked since birth«. Da singt sein in einem Käfig gefangener Engel von der Schönheit ihres vergangenen Lebens in Freiheit. »Eternal« als Song ist gleichzeitig die Hymne. Wenn nur 30 Plattenspieler zeitgleich diesen Song hier in Berlin abspielen würden, was es auf jeden Fall zu vermeiden gilt, wird schwarzer Ruß in gewaltigen Mengen aufsteigen, das Tageslicht wird aus dem Himmel über uns verschwinden, das Blut von 43.000 abgeschlachteten Ziegen wird die Erde tränken, Ramstein wird ein kleineres Mißgeschick gewesen sein, Reisebüros werden schleunigst ihre Werbeplakate in den Schaufenstern umdrehen: »Kuweit, ein sonniges Paradies im Süden, Sondertarif für Schnellentschlossene«. Und alle Wohnungsmakler werden sich in schafsköpfige, gehörnte kuhähnliche Kreaturen verwandeln, deren verzweifeltes Blöken im fallenden Ruß erstickt.

Naja, ganz so dramatisch muß es nicht werden heute im Ecstasy, gute Laune sollte man mitbringen. Paradise Lost besorgen den Rest. Interessant in jedem Fall ist die musikalische Entwicklung hin zum langsameren, schweren, breiten Cinemascope- Stil, will heißen, sie lassen sich genießen wie ein Film von Abel Ferrara im Zoo-Palstkino numero uno.

Vorgruppen: Assorted Heap und Death Power. Erstere kommen aus Ostfriesland, machen gut death mäddel mit eingestreuten Synthesizerorgien, erinnern mich streckenweise an frühe Scorpions-go-grunge und an eine Schülerband, für die ich mit 14 ein bißchen Roadie machen durfte und dafür auch mal an der Flasche Apfelkorn nippeln, aber nicht soviel! Geendet hat's dann doch immer im Suff und »Paranoid« von Black Sabbath war der Knaller.

Death Power sind zu dritt, kommen aus dem Süden Frankreichs und sind dort auch schon ganz gut bekannt. Als Einfluß werden Slayer (natürlich!), Ministry und Dead Can Dance genannt, letztere wohl eher des Namens wegen. Vom Sound her das übliche Konglomerat aus allen Hardrock- und Metalbereichen, wobei die Gitarre an frühe Speedcorler erinnert, etwa D.I. oder auch Suicidal Tendencies.

Alles in allem ein Fest der Gitarren. Napalm Death- oder Carcass-Puritaner werden aber zumindest bei Paradise Lost nicht ganz auf ihre Kosten kommen, weil eben größtenteils mittelschnelle Stücke herrschen werden, und meine pathetische Ausführung von »Eternal« an Imagination in etwa schon zutrifft. Trotzdem gilt auch hier: Sag's, wie's is, Bruder — der legt los und meint: uuuurrrooouuuuaarrrrrrghhhhhöööööööö raiaiaiaiaiai kchchchchchchch. Peter K.

Ab 21 Uhr im Ecstasy