Viel Rummel um einen Wald

■ Die letzte Runde im Kulturpark Berlin

Seit Ostersonnabend hat Berlins einzig fest installierter Rummel, der Kulturpark Berlin, seine Tore zur 31. und letzten Saison in öffentlicher Regie geöffnet. Trotz des schlechten Wetters ließen sich bereits an den Feiertagen täglich mehr als zehntausend Vegnügungssuchende in den Treptower Plänterwald rund um das Riesenrad locken. Obwohl sich auch die meisten Schausteller zufrieden mit der Auslastung der insgesamt 85 Buden und Fahrgeschäfte zeigen, blicken die Betreiber auch seit der Übernahme der Einrichtung durch den Berliner Senat in eine nach wie vor ungewisse Zukunft.

Bereits im November 1990 hatte der Magi-Senat unter Momper und Schwierzina die Überführung der öffentlichen Vergnügungsstätte in private Unternehmenshände beschlossen. Für die letzte staatstragende Saison wurde der Rummelplatz unter die Fittiche der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten gestellt. Dort im Referat IVc, eigentlich zuständig für kulturelle Außenkontakte und internationalen Kulturaustausch, zeichnet seither Hassemers ehemaliger Rockbeauftragte, Manfred Fischer, verantwortlich für die Überführung der Einrichtung in die angestrebte private Trägerschaft.

Bis zum 31. Dezember 1990 wurde das Objekt der Begierde von der Senatsverwaltung öffentlich ausgeschrieben. Bis Ende Januar 1991 ließen die Senatsbeamten den Bewerbern Zeit, die gewünschten Gesamtkonzeptionen zur neuerlichen Nutzung des Treptower Areals nachzureichen. Heute, da die insgesamt sieben Bewerbungen nunmehr seit zweieinhalb Monaten vorliegen, steht eine Entscheidung der Behörde über die Zukunft des Freizeitparks noch immer aus. Eine ressortübergreifende Kommission aus den Senatsverwaltungen für Wirtschaft, Finanzen, Stadtentwicklung und Kultur wird voraussichtlich erst in zwei bis drei Monaten die Beschluß-Würfel fallen lassen.

Die Schausteller der elf noch-öffentlichen und 74 privaten Geschäfte fühlen sich allerdings schon jetzt von den sujetfremden Kulturbeamten verschaukelt. Obwohl Fischer bei den Eröffnungsfeierlichkeiten das Gelände besucht hat, hat der dennoch nie das direkte Gespräch mit den Betroffenen selbst gesucht. »Bisher«, so Parkleiter Heinz Vogel, »haben wir von den Spekulationen über das zukünftige Parkschicksal immer nur aus Zeitungsmeldungen erfahren«.

Erst jüngst hatte sich Fischer so in der Berliner Morgenpost mit Hinweis auf die Wohnwagen der Schausteller öffentlich über die »zweckentfremdete« Nutzung des Geländes beklagt. »Der kennt sich doch hier gar nicht aus«, bewertet Vogel die Aussage des Kulturbeamten und würde »den Herrn am liebsten in einem persönlichen Gespräch unter Beteiligung der Schausteller fragen, wo die Leuten denn gerade bei der jetzigen Wohnungsmisere sonst wohnen sollen.«

Obwohl der Erhalt des Rummels durch private Anbieter keineswegs sicher erscheint, hat der Park seit Öffnung der Mauer erheblich an Attraktivität gewonnen. Zu Beginn des letzten Jahres war die Parkdirektion an den rheinländischen Fahrunternehmer Hans Göbel herangetreten, der bereits 1990 eigens eine Achterbahn im Wert von 750.000 DM für den Treptower Rummel angeschafft hatte. In diesem Jahr hat der Wormser Großschausteller dem Park zusätzlich eine Wildwasserbahn »Wild River« und eine 12 Meter hohe Mammutrutsche beschert. Allein der 400 Meter lange Wasserkanal verzeichnet schon jetzt täglich mehr als 2.000 Bersucher.

Kein Wunder also, daß Vogel, der genau wie sämtliche Schausteller um den Erhalt seines Arbeitsplatzes bangt, gerade nach dem wiedererwachten Publikumszuspruch den Rummel als öffentliche, metropole Vergnügungsstätte — dem Kopenhagener Tivoli oder Wiener Prater ähnlich — erhalten möchte. Noch im letzten Jahr hatte der Park wie so viele ehemalige Ost-Einrichtungen erheblich unter den Folgen von Währungsunion und Westneugier gelitten.

Bereits auf dem Fußweg vom S-Bahnhof Plänterwald zum Park werden die vergnügungssuchenden Berliner und Hauptstadt- Touristen mit seichtem Gedudel von Matthias Reim oder Juliane Werding auf das »kulturelle Abenteuer« eingestimmt. Wer sich von dem »Marsch« durch den deutschen Schlager-Dschungel strapaziert zeigt — obschon sich Reims tra(e)niges »verdammt ich lieb dich, verdammt ich brauch dich« noch gutmütig als Engagement für Treptow interpretieren läßt — wird spätestens von dem niedrigen Eintrittpreis des Kulturparks wieder versöhnt. Für Einemarkfünfzig bietet das einstige realsozialistische Volksvergnügen seinen Besuchern auch heute noch eine recht preiswerte Ablenkung von den Wunden, die ein mitterweile kapitalistischer Alltag schlägt.

Im Gegensatz zu den sonst alkoholgeschwängerten Rummelplätzen hat der Kulturpark sein Angebot eher auf ein Familienpublikum zugeschnitten. Auf einer Kinder- Motorradbahn können die Jüngsten ihre ersten Zweitakt-Erfahrungen auf japanischen Minimopeds machen. Die Zielgruppe ist auch beim Streichelzoo Zamunda klar, dessen Besitzer stolz exotische Tiere zum Anfassen präsentiert.

Gleich neben Zamunda vermietet eine Bude Polaroid-Kameras an vergeßliche oder ohnehin fotoapparatlose Zeitgenossen. Wirklich lohnend für seine 2 Mark ist das Riesenrad, das in fünf schwindelerregenden Runden einen Blick nicht nur über das weitläufige Gebiet des Parks, sondern über die gesamte Spreestadt von Ost nach West bietet. Ansonsten befindet sich im Kulturpark eher das übliche Rummel-Allerlei, von der Geisterbahn über den noch immer beliebten Auto-Scooter, vom öden Cinema 2000 bis hin zu den Evergreens Schiffsschaukel und Kettenkarussel, neben den ewig obligaten Schieß-, Imbiß-, Los- und Zuckerwattebuden. Text und Foto: Andreas Kaiser

Bis zum 20. Juni Mi-So von 11 bis 20 Uhr, vom 21.Juni. bis 31. August täglich, ab S-Bhf. Plänterwald