SPORTKOLUMNE VON KLAUS NÜSSER
: Freudentänze um eine grüne Platte

■ Thüringens Tischtennis-Spitzenteam hat den Aufstieg in die 2. Bundesliga geschafft/ Neues Kapitel für Ost-„Pingpong“

Bad Salzungen. Zum Abschluß der Tischtennissaison am letzten Wochenende tanzte nicht nur der zwei Gramm schwere Tischtennisball auf der Platte, sondern auch vier glückliche Männer drum herum. Thüringens Spitzenteam aus Bad Salzungen hatte im entscheidenden Spiel bei KSV Erdgas 90 Berlin 10:6 gewonnen und damit den Aufstieg in die 2. Bundesliga geschafft, den es zu Saisonanfang angepeilt hatte. Damit beginnt ein neues Tischtenniskapitel in der ehemaligen DDR. Früher einmal in der erweiterten Weltspitze — der Thüringer Heniz Schneider aus Mühlhausen war mal WM-Dritter und die Berlinerin Gabriele Orgis-Geißler sogar noch einen Platz besser —, verordnete die DTSB-Führung dann das internationale Aus, weil „Pingpong“ nicht olympisch war. Obwohl über 100.000 aktiv schmetterten, schnitten, blockten, verlor man so den Anschluß an das Spitzenniveau. Trotzdem lebte der Tischtennissport in vielen kleinen Gemeinschaften weiter und war insgesamt ein beliebtes Freizeitvergnügen. Aber eben nicht mehr. Und die in der DDR übliche Sportförderung blieb aus.

In Bad Salzungen aber ist dieser Sport schon länger von besonderer Bedeutung. So waren die Voraussetzungen für den Aufstieg hier auch günstiger als anderswo. Bernhard Thiel wechselte zu Saisonbeginn von Stahl Finow im Brandenburgischen nach Thüringen. Er hatte auch Angebote aus den alten Bundesländern, wo viele ehemalige DDR-Spitzenspieler schon in der letzten Saison ihre Brötchen verdienten. Aber er, wie auch andere, blieben hier. „Es war gut, daß es die der Oberliga noch gab, und mittelfristig sehe ich in Bad Salzungen gute Perspektiven. Das Umfeld ist in Ordnung. Die Unterstützung ist vorhanden, und wenn wir die 2. Bundesliga schaffen, was ja nun gelang, soll sie noch besser werden. Deshalb unsere Freudentänze.“

Weitere Spitzenathleten außer den Tischtennis- Assen gibt es in der Kleinstadt und Umgebung nicht. „So haben wir unsere Fans überall, vor allem aber in den kleinen Dörfern. Und kleinere Sponsoren stehen auch bereit.“ Das ist auch notwendig, denn obwohl neben Thiel noch Hartmut Vierk und Diethelm Bessert in der letzten Saison nur wenige Spiele verloren, reicht ihr Können allein nicht aus, um in der 2. Bundesliga zu bestehen. Sie wollen aber Bad Salzungen die Treue halten, obwohl sie vor einigen Jahren aus Erfurt dorthin wechselten, weil sie sich hier schon heimich fühlen. Nur die Nummer vier der Mannschaft, Sven Städler, ist Einheimischer, wurde in der rund 100 Tischtennisspieler zählenden Abteilung groß.

Die Trainingsbedingungen sind in Ordnung, die Halle bei Spielen gut besucht. Zeit zum Training war bisher reichlich vorhanden, denn die zwei Werkzeugmacher, der Schlosser und der Sportlehrer Thiel waren auf Kurzarbeit Null. Sie alle sind aber nicht mehr die Jüngsten, so daß eine Leistungssteigerung nur noch in geringem Maße möglich ist. „Wir wollen drei Mann Verstärkung holen. Die Mittel dafür wurden uns zugesagt, denn die Unterstützung ist gut, und als Aufstiegsbelohnung soll auch der Etat der 2. Bundesliga abgesichert werden“, so noch einmal Bert Thiel, der als Spielertrainer im Gespräch ist. Auch die Arbeitsstellen für die anderen Tischtenniskünstler stehen in Aussicht. Mit eventuell einem ausländischen Spitzenspieler soll vermieden werden, daß der Aufsteiger ein leichter Trainingspartner für die meist mit Chinesen verstärkten anderen Teams ist. Bernhard Thiel und seine Mannen wollen mit ihrem Auftreten den Zuschauern Freude und Entspannung bieten und dem Tischtennissport im Osten helfen, wieder auf das Niveau von früher zu kommen. Für sie ist es zu spät, aber der Nachwuchs braucht auch in heimischer Umgebung Spitzentischtennis, damit er zu diesem schönen Sport kommt, bleibt und hart trainiert, um nach vorn Anschluß zu finden. Nun stehen ja alle Wege offen.