Runder Tisch statt Bonner Runde

■ Bärbel Bohley verlangt Beteiligung der außerparlamentarischen Kräfte an der Bewältigung der Krise im Osten

Berlin (taz) — Bärbel Bohley, Mitbegründerin des Runden Tisches, hat vorgeschlagen, die ehemalige DDR angesichts der massiven wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu einem „Sondergebiet“ zu erklären. Es sollte einem „Aufbauministerium“ zugeordnet und von einem Wirtschafts- und Sozialrat kontrolliert werden, der aus Vertretern der Unternehmerverbände, der Gewerkschaften, der sozialen Interessenvertretungen und der Bürgerbewegungen bestehen sollte. Diese Forderung erhob sie in einem Beitrag in der heute erscheinenden Berliner Wochenzeitung 'Freitag‘.

„Wenn dieser Wirtschafts- und Sozialrat die notwendige Öffentlichkeit erhält, würde er wohl dem Geist der Runden Tische mehr entsprechen als der geplante Politikerstammtisch in Bonn“, schreibt Bärbel Bohley als Antwort auf die leidigen Versuche der Regierung und Opposition, die Krise im Osten in den Griff zu bekommen.

Die Bürgerrechtlerin wehrt sich dagegen, daß der „Runde Tisch“ jetzt nur noch aus Regierenden und der parlamentarischen Opposition bestehe und die Gespräche ohne jegliche Beteiligung der außerparlamentarischen Kräfte stattfänden. „Selbst der Begriff ,runder Tisch‘ soll durch westliche Interpretation besetzt werden, aber sein wirklicher Geist darf nicht leben“, schreibt Bärbel Bohley. Und weiter: „Ein paar gehorsame Parteipolitiker und stillgemachte Parlamentarier aus dem Osten können ihrer Stimme nicht das notwendige Gehör verschaffen. Schon gar nicht, wenn sie die Tür hinter sich zumachen. Dann sollten sie lieber in der Opposition bleiben und dort laut herumkrähen. Auf jeden Fall hört sie das Volk, wenn sie lang genug schreien.“

Nicht zwei unterschiedliche Gebiete, sondern „zwei Bevölkerungen mit zwei verschiedenen Gesellschaftsordnungen“ seien vereint worden, deshalb müsse jeder Mensch jetzt eine Stimme haben, nicht nur alle vier Jahre bei den Wahlen. Denn „nur am Runden Tisch könnten die wirklichen Aufgaben formuliert werden“, heißt es in Bärbel Bohleys Beitrag. uhe