Müllvermeidung — Nein danke

Städte in Sachsen-Anhalt zeigen kein Interesse an Schadstoffminderung/ Hohe Gebühren für leere Mülltonnen/ Rabatt für Strom-Großverbraucher  ■ Von Steve Körner

Halle. Schluß mit der sozialistischen Gleichmacherei! Schlachtet die heilige Kultur Subventionen! So etwa hatten sich die Hallenser, die Merseburger, Quedlinburger und Bitterfelder die gepriesene Marktwirtschaft vorgestellt: Wer viel verbraucht, soll dafür zahlen. Geklappt hat das aber bisher nur beim Brot. Das kostet nun dreimal soviel wie früher — ein Grund, beim Kauf zu überlegen und nicht mehr soviel wegzuschmeißen. Bei Strom und Müll hingegen sind die Leute vom sozialistischen Regen in die Traufe marktwirtschaftlicher Unternehmensführung geraten. Kein Hahn kräht mehr nach den von revolutionärer Romantik geschmiedeten Gebührenplänen, die vorsahen, die Leute zu sparsamem Wirtschaften mit Wasser, Strom und Gas und zur Müllvermeidung zu erziehen. Die Situation hat sich zum glatten Gegenteil verkehrt. Sowohl beim Müll als auch beim Strom kommt Mehrverbrauch heute vergleichsweise billiger als Sparsamkeit.

Bei der Elektroenergie zum Beispiel hat sich die Mitteldeutsche Energieversorgungs GmbH MEAG, Monopolist im ehemaligen Bezirk Halle, mit einer Erhöhung ihrer Preise zum 1. Januar 1991 ein ausgeklügeltes Rabattsystem einfallen lassen. Man will ja seine Ware loswerden. Der private Großverbraucher zapft also die Kilowattstunde (KWh) Strom mit ein bissel Engagement locker zu unter zwanzig Pfennigen. Während der weniger nachfragefreudige Kunde selbst daran Schuld ist, daß er vierzig oder gar fünfzig Pfennig berappen muß. Er könnte ja mehr verbrauchen. Der Hintergrund ist schnell erklärt. Für alle ihre Kunden berechnet die MEAG nämlich eine einheitliche „Grundgebühr“ von etwas mehr als 160 DM jährlich— egal, ob ein Fünfpersonenhaushalt vielleicht 25.000 KWh im Jahr verbraucht oder ein allein lebender Rentner mit 500 KWh auskommt.

„Wir müssen das so machen“, beschied die MEAG die Betroffenen, die massenhaft gegen soviel ökologischen Unverstand protestierten, „schließlich sind die festen Aufwendungen für den Zähler, die Leitungen, den Service und das Ablesen in jedem Fall gleich!“ Vielleicht regelt die MEAG ihren Festbetrag wenigstens auf das Preisniveau herunter, das die Stromkunden im anderen Teil Sachsen-Anhalts, im ehemaligen Bezirk Magdeburg, zahlen müssen: Immerhin zwei Drittel weniger. Ausgeglichen wird das dort vernünftigerweise durch einen höheren KWh- Preis.

Und der Streit zwischen Bürgern und Behörden geht weiter. „Müll“ heißt das Thema, das augenblicklich ganze Heerscharen wütender Süd- Sachsen-Anhaltiner in Bewegung bringt. Drei- bis viermal mehr Abfall als vor der Wende haben die Entsorgungsunternehmen, die auf Weisung der Landesregierung landkreisweise arbeiten, inzwischen zu beseitigen. Noch nicht genug, scheint man bei Kommunen und Müllfirmen zu meinen. Warum sonst hat man sich bei der Verabschiedung der Müllgebührensatzungen in den Landkreisen des gesamten Südens durchweg an ein Modell gehalten, das keinerlei Zusammenhang zwischen zu zahlender Gebühr und anfallender Müllmenge kennt?

Das Prinzip ist denkbar einfach. Die jeweilige Stadtwirtschaft stellt jedem Haushalt pro Woche eine bestimmten, sehr reichlich bemessenen Müll-Stauraum zur Verfügung. Egal, ob der ausgenutzt wird oder der bewußt müllvermeidende Kunde gerade mal den Tonnenboden bedeckt: Bezahlt werden muß die volle Gebühr. Und die ist deftig. Als Begründung für diese Methode müssen die „wilden Müllkippen“ herhalten, die, so heißt es bei Politikern und Stadtwirtschaftlern einträchtig, weiter wuchern würden, wenn man den Leuten Gelegenheit gäbe, auf diese Weise Geld zu sparen.

„Jetzt machen die Bürger ihre Tonnen vielleicht endlich mal voll, statt ihren Mist irgendwo in die Botanik zu schmeißen“, hofft auch die Chefetage des aus dem Niedersächsischen importierten Merseburger Entsorgers „Scheele“. Mit der Entscheidung für die Müllpauschale, erklärt Dagmar Szabados, sozialdemokratische Umweltdezernentin der Stadt Halle und Oberbürgermeisterin, habe man es sich nicht leicht gemacht in der Stadtverordnetenversammlung. Dennoch passierte die Vorlage das Hohe Haus problemlos— abgesehen vom obligatorischen und erfolglosen Protest der Grünen.

Die Müllpauschale wird weiter kassiert. Es gibt, heißt es bei Stadtwirtschaft und Stadtverwaltung, keinerlei Möglichkeit, das Müllaufkommen je Haushalt exakt festzustellen. Von der Müllmarke, mit deren Hilfe das früher ganz gut ging, ist keine Rede mehr. Zumal doch auf die andere Art etliche Märker mehr in die Kassen kommen.